Nexus
vorzubringen.»
Er machte eine ziemlich lange Pause, damit wir auch begriffen, was er sagen wollte.
«Ich bin aber nicht gemein genug, um so etwas zu tun. Ich bin ein zu guter Freund, nicht wahr, Herr Miller? Aber versucht ja nicht, mich hinauszuwerfen, weil ich euch behilflich bin.»
Stasia stand splitternackt da, ihre Hose hatte sie um den Arm geschlungen. Schließlich kam sie zu sich und schlüpfte schnell in ihre lange Hose. Dabei glitt sie aus und fiel. Mona sprang sofort hinzu, um ihr behilflich zu sein, wurde aber heftig beiseite gestoßen.
«Laß mich in Ruhe!» schrie Stasia. «Ich bin kein Kind, ich kann allein fertig werden.» Mit diesen Worten krabbelte sie wieder hoch.
Sie stand einen Augenblick aufrecht, dann blickte sie an sieb hinunter, direkt in den Mittelpunkt ihrer Anatomie. Sie brach in ein Lachen aus, ein wahnsinniges Lachen.
«Ich bin also normal», sagte sie und lachte noch lauter. «Was für ein Witz! Normal, weil da unten ein Loch ist, groß genug, um etwas hineinzustecken. Gebt mir eine Kerze, ich werde euch zeigen, wie normal ich bin.»
Damit fing sie an, die obszönsten Gesten zu machen, drehte ihr Becken hin und her und wand sich, als ob sie einen Orgasmus hätte.
«Eine Kerze!» schrie sie. «Ich will euch zeigen, wie normal ich bin!»
«Bitte, Stasia, hör auf, ich bitte dich!» rief Mona.
«Ja, lassen Sie das!» verwies Kronski sie in strengem Ton. «Sie brauchen uns hier keine Schau zu bieten.»
Das Wort schien sie noch mehr zu entflammen.
«Dies ist meine Schau», sagte sie, «und diesmal ist sie gratis. Gewöhnlich bekomme ich Geld dafür, daß ich mich so zum Narren mache, nicht wahr?» Sie wandte sich an Mona. «Nicht wahr?» zischte sie. «Oder hast du ihnen nicht erzählt, wie wir das Geld für die Miete zusammenbringen?»
«Bitte, Stasia, bitte!» bat Mona. Sie hatte Tränen in den Augen. «Hör auf, hör auf, oder ich laufe davon!»
Stasia wurde allmählich ruhig. Ein neuer Ausdruck kam jetzt auf ihr Gesicht. Als sie in ihre Bluse schlüpfte, sagte sie sehr ruhig, indem sie sich an mich wandte:
«Da siehst du's, Val. Wenn irgend jemand beleidigt oder gedemütigt werden soll, bin ich's, nicht deine Frau. Ich habe keinen Sinn für Moral. Ich habe nur Liebe. Wenn Geld benötigt wird, bin ich immer bereit, eine Aktvorstellung zu geben. Da ich verrückt bin, macht das nichts.» Sie ging dann zu der Kommode in einer anderen Ecke des Zimmers, öffnete eine Schublade und zog einen Umschlag hervor. «Seht ihr dies?» Sie schwang den Umschlag durch die Luft. «Da ist ein Scheck drin, den mir mein Vormund geschickt hat. Damit könnten wir die Miete für den nächsten Monat bezahlen. Aber —» und damit fing sie an, in aller Ruhe den Umschlag in Stücke zu zerreißen -«diese Sorte Geld brauchen wir nicht, nicht wahr? Wir wissen selbst, wie wir durchkommen . . . geben Schaustellungen . . . tun so, als ob wir Lesbierinnen wären . . . tun so, als wären wir nur zum Schein Lesbierinnen. Immer tun wir so, als ob . . . Ich habe es satt. Warum tun wir nicht so, als ob wir nur gewöhnliche Menschenkinder wären?»
«Natürlich sind Sie ein Menschenkind», sagte nun Kronski, «und zwar ein sehr ungewöhnliches. Irgendwo unterwegs haben Sie Hurenallüren angenommen - wie, weiß ich nicht. Ich will es auch gar nicht wissen. Wenn ich dächte, Sie würden auf mich hören, würde ich Ihnen dringend raten, sich davonzumachen, diese zwei allein zu lassen.» Er warf einen verächtlichen Blick auf Mona und mich. «Ja, gehen Sie fort, lassen Sie die beiden ihre Probleme allein lösen. Man braucht Sie hier nicht, und Sie brauchen diese beiden sicher nicht. Sie gehören nicht in eine Stadt wie New York. Offen gesagt, Sie passen nirgendwohin . .. Aber was ich noch sagen wollte ... ich kam als Freund hierher. Sie brauchen einen Freund. Was diese zwei betrifft... sie kennen nicht einmal die Bedeutung dieses Wortes. Von Ihnen dreien sind Sie wahrscheinlich die Gesündeste, und dabei sind Sie noch ein Genie ...»
Ich dachte, er würde so unaufhörlich weiterreden. Plötzlich jedoch erinnerte er sich laut, daß er noch einen dringenden Besuch zu machen hatte, kehrte uns den Rücken und ging davon.
Im weiteren Verlauf des Abends - sie hatten beschlossen, nicht auszugehen - passierte etwas Sonderbares. Es war gleich nach dem Essen, mitten in einer angeregten Unterhaltung. Die Zigaretten waren ausgegangen, und Mona hatte mich gebeten, in ihrer Handtasche nachzuschauen. Gewöhnlich fand sich noch
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