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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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nicht wahr? Muß aufregend gewesen sein, was für ein Zeug ich da vom Grund heraufgebaggert habe. Jetzt bleibt nur noch die Aura davon. Aber über eines bin ich mir sicher - ich weiß, daß ich nicht außer mir selbst war. Ich war drinnen , tiefer als ich es je gewesen bin. Ich spie aus wie ein Fisch, habt ihr das bemerkt? Nicht wie ein gewöhnlicher Fisch, sondern wie einer, der auf dem Meeresboden lebt.»
    Ich nahm einen tüchtigen Schluck Wein. Wunderbarer Wein, Rheinwein.
    «Das Seltsame ist, alles kam dadurch, daß ich dieses Skelett eines Stückes an der Wand da angeschaut habe. Ich sah und hörte das Ganze. Warum soll ich versuchen, es niederzuschreiben? Nur aus einem Grund wollte ich das einmal, nämlich um aus dem Elend herauszukommen. Ihr wißt ja, wie elend mir ist, nicht wahr?»
    Wir sahen einander an. Bewegungslos .
    «Komisch, aber in dem Zustand, in dem ich mich eben befand, schien alles ganz so, wie es sein sollte. Ich brauchte nicht die geringste Anstrengung zu machen, um alles zu verstehen: alles war bedeutungsvoll, gerechtfertigt und unveränderlich wirklich. Auch wart ihr nicht die Teufel, für die ich euch manchmal halte. Engel wart ihr zwar auch nicht, weil ich echte gesehen habe. Die waren wieder anders. Nicht daß ich sagen wollte, dies wäre die Art, wie ich die Dinge immer sehen wollte. Nur Statuen...»
    Stasia unterbrach mich. «Auf welche Weise?» wollte sie wissen.
    «Alles auf einmal», sagte ich, «Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Erde, Luft, Feuer und Wasser. Ein bewegungsloses Rad. Ein Lichtrad möchte ich sagen. Aber nur das Licht drehte sich, nicht das Rad.»
    Sie faßte nach einem Bleistift, als wollte sie sich eine Notiz machen.
    «Laß das! Worte können es nicht anschaulich machen. Was ich da gesagt habe, ist nichts. Ich rede nur, weil ich nicht anders kann, aber es ist nur ein Reden über etwas. Was geschah, kann ich euch unmöglich auseinandersetzen ... Es ist wie mit diesem Stück. Das Stück, das ich sah und hörte, kann niemand schreiben. Man schreibt nur, wenn man wünscht , daß etwas geschehen möge. Nehmt uns zum Beispiel. Wir sind kein Geschehnis , nicht wahr? Niemand hat uns ausgedacht. Wir sind , das ist alles. Und wir waren immer da. Das ist ein Unterschied, nicht wahr?»
    Ich wandte mich direkt an Mona. «Ich werde mich wirklich bald nach einer Stelle umsehen. Du nimmst doch wohl nicht an, daß ich bei diesem Leben jemals zum Schreiben komme? Wir wollen es wie die Huren machen . . . wir wollen uns verkaufen, das ist jetzt meine Idee.»
    Ein Murmeln kam von ihren Lippen, wie wenn sie Einspruch erheben wollte, aber es erstarb sogleich.
    «Ja, sobald die Feiertage vorüber sind, werde ich losziehen. Morgen werde ich meine Leute anrufen und ihnen sagen, daß wir Weihnachten zu ihnen kommen. Laß mich nicht im Stich, ich bitte dich. Allein kann ich nicht hingehen. Werde es auch nicht tun. Und sieh dann einmal natürlich aus! Nicht anstreichen, nicht schlampig anziehen. Jesus, es ist schon schwer genug, in bester Verfassung Gnade bei ihnen zu finden.»
    «Du gehst auch mit», sagte Mona zu Stasia.
    «Um Himmels willen, nein!» sagte Stasia.
    «Du mußt» , sagte Mona. «Ohne dich überstehe ich es nicht.»
    «Ja», stimmte ich ein, «du kommst auch mit. Wenn du dabei bist, laufen wir keine Gefahr, einzuschlafen. Nur mußt du ein Kleid oder einen Rock tragen. Und steck dir die Haare in einem Knoten auf, wenn du das fertigbringst.»
    Dies machte sie leicht hysterisch. Was! Stasia sollte sich wie eine Dame aufführen? Lächerlich.
    «Du willst sie zum Clown machen», sagte Mona.
    «Ich bin eben keine Dame!» stöhnte Stasia.
    «Du brauchst nur dein liebes, angenehmes Wesen mitzubringen, sonst nichts», sagte ich. «Aber wie eine Vogelscheuche sollst du dich gerade auch nicht herrichten.»
    Genau wie ich erwartet hatte, kamen die zwei am Weihnachtstag in der Frühe sinnlos betrunken heim. Die Puppe, die sie mit sich geschleppt hatten, sah aus, als hätte sie Prügel bekommen. Ich mußte beide auskleiden und zu Bett bringen. Ich dachte, sie schliefen schon fest, da mußten sie wieder aufstehen und Pipi machen. Torkelnd und strauchelnd tasteten sie sich aufs Klo. Dabei stießen sie gegen Tische und Stühle, fielen hin, rappelten sich wieder auf, schrien, ächzten, knurrten und winselten, alles in echtem Schwipsstil. Um das Maß voll zu machen, würgten und erbrachen sie auch noch. Als sie wieder ins Bett krochen, hielt ich eine Predigt, sie sollten die Augen zumachen und

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