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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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die großen Kunstwerke zu sehen, von denen ich so viel gehört oder vielmehr gelesen hatte, denn keiner meiner Bekannten sprach je über Kunst. Mit einer Ausnahme - die verheiratete Frau, von der ich dir schon erzählt habe. Sie war eine weltkluge Frau in den Dreißigern. Sie hatte selbst keine Spur Talent, aber sie war eine große Kunstliebhaberin und verfügte über einen ausgezeichneten Geschmack. Sie öffnete mir die Augen, nicht nur für die Welt der Kunst, sondern auch für andere Dinge. Ich verliebte mich natürlich in sie. Wie wäre das anders möglich gewesen? Sie war mir Mutter, Lehrerin, Beschützerin und Geliebte in einer Person. Sie war tatsächlich meine ganze Welt.»
    Sie unterbrach sich, um mich zu fragen, ob sie mich langweilte.
    «Das Sonderbare dabei ist», fuhr sie dann fort, «daß sie und nicht ihr Mann, wie ich euch vorgemacht habe, mich in die Welt hinausstieß. Nein, wir drei kamen sehr gut miteinander aus. Ich wäre nie mit ihm zu Bett gegangen, wenn sie mich nicht dazu gedrängt hätte. Sie hatte strategische Begabung - wie du. Natürlich kam er nie richtig bei mir an. Er brachte es höchstens fertig, mich in den Armen zu halten und sich gegen mich zu drücken. Wenn er versuchte, mich zu nehmen, entzog ich mich ihm. Offenbar ärgerte ihn das nicht sehr, er tat wenigstens so, als machte es ihm nicht viel aus. Dieses Spiel wird dir wohl sonderbar vorkommen, aber es ging alles ganz unschuldig vor sich ... Ich bin wohl dazu bestimmt, Jungfrau zu bleiben, zum mindesten im Herzen.
    Huh! Was für eine Geschichte mache ich daraus! Was ich eigentlich sagen wollte, ist dies: sie, alle beide, gaben mir das Geld, nach dem Osten zu gehen. Ich sollte die Kunstakademie besuchen, tüchtig arbeiten und mir einen Namen machen.»
    Sie hielt unvermittelt ein.
    «Und nun schau mich an! Was bin ich? Was ist aus mir geworden? Ich bin eine Landstreicherin, unechter beinahe als deine Mona.»
    «Unecht bist du nicht, sondern nur mißraten», sagte ich.
    «Du brauchst nicht gut zu mir zu sein.»
    Ich dachte einen Augenblick, sie würde in Tränen ausbrechen.
    «Wirst du mir manchmal schreiben?»
    «Warum nicht? Wenn dir das Vergnügen macht, gern.»
    Dann wimmerte sie wie ein kleines Mädchen: «Ihr werdet mir beide fehlen. Ihr werdet mir schrecklich abgehen.»
    «Nun», sagte ich, «das haben wir hinter uns. Wir wollen vorwärts, nicht rückwärts blicken.»
    «Du kannst das leicht sagen. Du hast sie . Aber ich ...»
    «Du wirst dich wohler fühlen, wenn du allein bist. Es ist besser, allein zu sein, als mit jemandem zusammenzuleben, der dich nicht versteht.»
    «Da hast du sehr recht», stimmte sie zu und lachte kurz und schüchtern auf. «Du, einmal wollte ich einen Hund dazu bringen, mich zu besteigen. Das war ulkig. Er biß mich schließlich in den Schenkel.»
    «Du hättest es mit einem Esel versuchen sollen. Die sind umgänglicher.»
    Wir waren ans Ende der Brücke angelangt. «Du wirst nicht vergessen, Geld für mich aufzutreiben, nicht wahr?» sagte sie.
    «Natürlich nicht, ich werde, mein Bestes tun. Vergiß du nur nicht, so zu tun, als hättest du deinen Entschluß geändert und wärst jetzt bereit, bei uns zu bleiben. Sonst werden wir eine schreckliche Szene erleben.»
    Es gab eine Szene, wie ich es vorausgesagt hatte, aber im Augenblick, als Stasia nachgab, ging sie vorüber wie ein Frühlingsschauer. Für mich jedoch war es nicht nur niederdrückend, sondern demütigend, als ich Monas Kummer sah. Als wir nach Hause kamen, saß sie auf der Toilette und weinte wie ein Kind. Sie hatte den Koffer und das Handgepäck gepackt und verschlossen vorgefunden und Stasias Zimmer in einem Zustand wilder Unordnung. Da wußte sie Bescheid.
    Es war nur natürlich, daß sie mir die Schuld an dem Auszug zuschob. Glücklicherweise bestritt Stasia dies heftig. Warum wolle sie dann gehen? Hierauf erwiderte Stasia ziemlich lahm, sie habe die ganze Sache satt. Da knallte Mona ihre vorwurfsvollen Fragen los, sie kamen wie aus der Pistole geschossen. Wie kannst du so etwas sagen? Wohin willst du gehen? Was habe ich dir getan, daß du dich auf einmal gegen mich wendest? Sie hätte noch hundert von dieser Art abfeuern können. Mit jedem Vorwurf jedenfalls wurde sie hysterischer. Ihre Tränen verwandelten sich in Schluchzen, und ihr Schluchzen wurde zu Stöhnen. Es spielte keine Rolle, daß sie mich ganz für sich haben würde. Es war klar zu sehen, daß ich gar nicht existierte außer als Dorn in ihrem Fleisch.
    Stasia gab

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