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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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wem? Mir fiel niemand ein, der mir mehr als einen oder zwei Dollar pumpen würde. Sie brauchte aber mindestens hundert. Zweihundert wären noch besser.
    Wenn ich nur wüßte, wie ich diesen perversen Millionär erreichen könnte! Ich dachte auch an Ludwig, den Fahrkartenkontrolleur, ebenfalls ein Perverser, der aber nach Monas Worten ein Herz wie Gold hatte. Aber was sollte ich ihm sagen?
    Ich kam am Hauptbahnhof vorüber. Ich schlich mich in das Kellergeschoß, wo die Depeschenboten sich sammelten, um zu sehen, ob einer dabei war, den ich kannte. (Costigan, der alte verläßliche Geselle, war gestorben.) Nicht eine bekannte Seele konnte ich unter der Menge erkennen.
    Als ich die Treppe zur Straße hinaufstieg, erinnerte ich mich, daß Dr. Zabriskie irgendwo in der Nähe wohnte. Im Nu durchblätterte ich das Telefonbuch. Ja, da hatte ich ihn - West, fünfundvierzigste Straße. Meine Zuversicht stieg. Hier war einer, auf den ich sicher zählen konnte. Wenn er nicht pleite war. Das war jetzt kaum wahrscheinlich, da er in Manhattan ordinierte. Ich beschleunigte meine Schritte. Ich dachte mir nicht einmal aus, was für ein Ammenmärchen ich ihm auftischen wollte .. . Früher, wenn ich zu ihm ging, um mir meine Zähne plombieren zu lassen, fragte er mich , ob ich nicht ein bißchen Geld nötig hätte. Manchmal sagte ich nein, weil ich seine Gutmütigkeit nicht ausnützen wollte. Aber dieses Früher lag weit zurück — im achtzehnten Jahrhundert.
    Als ich so dahineilte, erinnerte ich mich an seine ehemaligen Ordinationsräume. Sie befanden sich in einem dreistöckigen roten Backsteingebäude, wo ich einst mit der Witwe wohnte. Carlotta . Jeden Morgen trug ich die Aschenkübel und die Mülleimer aus dem Keller und stellte sie an den Randstein. Das war einer der Gründe, warum Dr. Zabriskie eine solche Zuneigung zu mir faßte — weil ich mich nämlich nicht schämte, mir die Hände schmutzig zu machen. Es kam ihm so russisch vor - wie eine Seite aus Gorki... Wie gern er sich mit mir über seine russischen Schriftsteller unterhielt! Wie begeistert war er, als ich ihm mein Prosagedicht auf Jim Londos zeigte, Londos, der kleine Herkules, wie er genannt wurde. Er kannte sie alle - den Ringer Lewis, Zbysko, Earl Caddock, Farmer - wie hieß er noch mal... alle. Und da schrieb ich nun wie ein Dichter — er konnte meinen Stil nicht genug bewundern! - über seinen großen Liebling, Jim Londos. An diesem Nachmittag, das weiß ich noch, steckte er mir einen Zehndollarschein in die Hand, als ich mich verabschiedete. Das Manuskript wollte er unbedingt behalten, um es einem Sportschriftsteller zu zeigen, den er kannte. Er bat mich, ihm noch weitere Arbeiten zu geben. Ob ich schon etwas über Scriabin geschrieben hätte? Oder über Aljechin, den Schachmeister? «Lassen Sie sich bald wieder sehen», drängte er mich. «Sie können jederzeit kommen, selbst wenn Ihre Zähne in Ordnung sind.» Und ich ging tatsächlich von Zeit zu Zeit hin, nicht um über Schach, Ringkämpfer und Klavierspieler zu fachsimpeln, sondern in der Hoffnung, er würde mir beim Abschied einen halben oder sogar einen ganzen Dollar in die Hand drücken.
    Als ich seine neuen Praxisräume betrat, versuchte ich mich zu erinnern, wie viele Jahre verflossen waren, seitdem ich ihn zuletzt gesprochen hatte. Es waren nur zwei oder drei Patienten im Wartezimmer. Nicht so wie früher, wo man keinen Stuhl mehr bekam und Frauen in Schals und mit rotumränderten Augen ihre geschwollenen Backen hielten, manche mit kleinen Kindern auf den Armen, und alle arm, geduckt, abgerackert und geduldig, denn sie saßen oft ganze Stunden da. Die neue Praxis war anders. Das Mobiliar sah nagelneu aus, die Räume waren luxuriös eingerichtet. An den Wänden hingen Bilder, und zwar gute, und alles ging geräuschlos, selbst der Bohrer. Ich sah jedoch keinen Samowar mehr.
    Kaum hatte ich mich gesetzt, als sich die Tür der Folterkammer öffnete und ein Patient herauskam. Zabriskie kam sofort auf mich zu, schüttelte mir erfreut die Hand und bat mich, einige Minuten zu warten. «Hoffentlich nichts Ernstliches», sagte er. Ein paar Löchelchen, weiter nichts, er solle sich nur Zeit lassen. Ich setzte mich wieder und nahm eine Zeitschrift zur Hand. Ich sah mir die Illustrationen an und kam zu dem Schluß, ich würde am besten sagen, Mona müsse sich einer Operation unterziehen. Ein Tumor in der Scheide oder was Ähnliches.
    Bei Dr. Zabriskie bedeuteten ein paar Minuten gewöhnlich ein paar Stunden.

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