Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
Vom Netzwerk:
Sheridanplatz stiegen wir aus. Eine Kneipe zu finden, machte keine Schwierigkeit. Der ganze Platz schien Tabaksqualm auszuspeien. Aus jedem Fenster kam das Schmettern von Jazzmusik, das Kreischen hysterischer Weiber, die in ihrem Urin wateten, Schwule, einige in Uniform, gingen Arm in Arm wie auf der Promenade Anglaise, und hinter ihnen her zog eine so starke Parfumfahne, daß man damit eine Katze hätte ersticken können. Hier und da lag, genau wie in Old England, ein Betrunkener auf dem Bürgersteig, hatte den Schluckauf, kotzte, fluchte und stammelte das übliche weinerliche Leckt-mich-alle-am-Arsch-Kauderwelsch. Das Alkoholverbot war eine wunderbare Sache. Es machte alle durstig, aufsässig und streitsüchtig. Besonders das weibliche Element. Der Gin brachte die Hure ans Licht. Was für unflätige Zungen sie hatten. Unflätiger als die englischen Huren.
    In einer Kaschemme, einer Art stampfenden Hölle auf Rädern, bahnten wir uns einen Weg an die Bar, nahe genug heran jedenfalls, um etwas zu bestellen. Gorillas mit Krügen in den Pfoten schwappten das Zeug überallhin aus. Einige versuchten zu tanzen, einige hockten, als suchten sie etwas am Boden, einige stampften mit rollenden Augen einen Negertanz, einige krochen auf allen vieren unter den Tischen umher und schnüffelten wie läufige Hunde, wieder andere knöpften in aller Gemütsruhe ihre Hosenschlitze zu oder auf. An einem Ende des Schanktisches stand ein Polizist in Hemdsärmeln und Hosenträgern, die Augen halb geschlossen, das Hemd quoll ihm aus der Hose. Der Leibgurt mit dem Revolver lag auf der Bar, bedeckt von seiner Dienstmütze. (Möglicherweise, damit man sah, daß er im Dienst war.) Osiecki, der seinen hilflosen Zustand bemerkte, wollte Krach mit ihm anfangen. Ich zog ihn weg, aber im nächsten Augenblick plumpste er auf einen Tisch, der von verschüttetem Gesöff beschmiert war. Ein Mädchen legte seine Arme um ihn und fing an, mit ihm zu tanzen, auf der Stelle natürlich. Seine Augen blickten in die Ferne, als ob er Schafe zählte.
    Wir beschlossen, diese Bude hinter uns zu lassen. Sie war zu laut. Wir gingen eine Seitenstraße entlang, die mit Abfalltonnen, leeren Lattenkisten und vorjährigen Küchenabfällen geziert war. Ein anderes Bumslokal, noch schlimmer als das erste. Hier, Gott helfe mir, Amen, gab es nur Homos. Marinesoldaten beherrschten die Szene. Einige hatten Frauenröcke angezogen. Wir quetschten uns unter spöttischen Zurufen und schrillem Pfeifen wieder nach draußen.
    «Sonderbar», sagte Osiecki, «wie sich das Village verändert hat. Ist nur noch ein einziges großes Arschloch, weiter nichts.»
    «Wollten wir nicht weiter in die City hineingehen?» Er blieb eine Weile stehen und kratzte sich die Birne. Er dachte offenbar nach.
    «Jaa, jetzt fällt mir's wieder ein», sagte er wichtigtuerisch und brachte seine Hand vom Kopf zwischen die Beine. «Ich kenne ein nettes, ruhiges Lokal, in dem ich mal war . . . ein Tanzlokal, gedämpftes Licht... auch nicht teuer.»
    Es kam gerade ein Taxi. Es hielt gleich neben uns.
    «Suchen ein Lokal?»
    «Jaa», sagte Osiecki, kratzte sich noch immer, dachte noch immer nach.
    «Steigen Sie ein.»
    Das taten wir. Das Taxi schoß los wie eine Rakete. Es war keine Adresse genannt worden. Ich sah mich nicht gerne so absausen - ins Ungewisse.
    Ich stieß Osiecki an. «Wohin fahren wir?»
    Der Chauffeur antwortete für ihn. «Nur keine Bange, das werden Sie schon sehen. Es ist kein Radaulokal, darauf können Sie sich verlassen.»
    «Vielleicht kennt er eine dufte Bude», sagte Osiecki. Er benahm sich, als wäre er verhext.
    Wir hielten vor einem hohen Gebäude in den West Thirties. Nicht weit von dem französischen Puff, wo ich mir meinen ersten Tripper holte, blitzte es mir durch den Kopf. Die Umgebung war trostlos -wie von Drogen betäubt, erfroren, von Bomben erschüttert. Halbtote Katzen lungerten herum. Ich blickte an dem Haus hinauf und herunter. Keine leise Musik drang durch die blinden Fenster.
    «Läuten Sie und sagen Sie dem Pförtner, ich hätte Sie geschickt», sagte der Taxichauffeur und überreichte uns seine Karte.
    Er verlangte einen Extradollar, weil er uns diesen Tip gegeben hatte. Osiecki wollte ihn zuerst nicht herausrücken. Warum? fragte ich mich. Was lag an einem Extradollar? «Komm her», sagte ich, «wir verlieren nur Zeit. Dies scheint das richtige für uns zu sein.»
    «Es ist nicht das Lokal, das mir vorschwebte», sagte Osiecki und starrte dem abfahrenden Auto und dem

Weitere Kostenlose Bücher