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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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diesen Eruptionen aufhört, selbst im Tode nicht. Was ich erfassen wollte - wie wenn man überhaupt solche ungreifbaren Dinge festhalten könnte! - war der entscheidende Punkt in der Entwicklung eines Genies, wo der harte, trockene Felsen plötzlich Wasser hervorsprudelt. Wie sich das himmlische Naß schließlich in großen Wasserbecken sammelt und sich dort in Ströme und Flüsse verwandelt, so mußte es auch nach meinem Gefühl im Geist und in der Seele ein Reservoir geben, das darauf wartete, in Worte, Sätze und Bücher umgeformt zu werden, um dann wieder in den Ozean der Gedanken einzumünden.
    Nur durch Prüfungen und Leiden, heißt es, werden wir aufgeschlossen. Würde ich das - nichts anderes? - beim Durchblättern der Biographien bestätigt finden? Waren die schöpferischen Menschen gequälte Wesen, die nur durch Ringen mit den Mitteln der Kunst Erlösung fanden? In der Menschenwelt war Schönheit mit Leiden und Leiden mit Erlösung verbunden. Nichts dergleichen fand in der Natur statt.
    Ich setzte mich in den Lesesaal und schlug ein großes biographisches Lexikon auf. Nachdem ich hier und dort ein paar Seiten gelesen hatte, fiel ich in eine Träumerei. Meinen eigenen Gedanken nachzuhängen, erwies sich als unterhaltender, als in den Lebensläufen erfolgreicher Versager herumzuspüren. Wenn ich unter dem Wurzelwerk des Alltags den geschlängelten Lauf meines eigenen wirren Lebens verfolgen konnte, dachte ich mir, könnte ich vielleicht auf den Strom stoßen, der mich ins Freie führen würde. Stasias Worte kamen mir in den Sinn — sie hatte davon gesprochen, man müßte einen verwandten Geist finden, um wachsen und Früchte bringen zu können. Sich (über Schreiben) mit den Liebhabern der Literatur zu unterhalten, führte zu nichts. Ich hatte schon viele getroffen, die über das Thema glänzender sprachen als jeder Schriftsteller. (Aber sie würden nie eine Zeile schreiben.) Gab es überhaupt einen, der über die geheimen Fortschritte des Geistes scharfsinnig sprechen konnte?
    Die große Frage war die ewige, anscheinend unbeantwortbare: was habe ich der Welt so ungemein Wichtiges zu sagen? Was habe ich mitzuteilen, was nicht von weit begabteren Menschen schon tausendmal vorgebracht worden ist? War es reine Ichsucht - dieses zwingende Bedürfnis, sich Gehör zu verschaffen? Worin war ich einzigartig? Denn wenn ich es überhaupt nicht war, würde ich nur eine Ziffer zu einer unschätzbaren astronomischen Zahl hinzufügen.
    Von einem kam ich zum anderen - eine köstliche Träumerei! -, bis ich zu dem für einen Schriftsteller interessantesten Problem gelangte: den ersten Seiten eines Buches. Wie ein Buch anfing - darin allein lag schon eine Welt. Wie sehr verschieden, wie einzigartig waren die ersten Seiten der bedeutenden Bücher! Manche Autoren schwebten wie große Raubvögel über ihrer Schöpfung, warfen riesige gezackte Schatten über ihre Worte. Andere begannen wie Maler mit zarten, nicht vorbedachten Pinselstrichen, geführt von einem sicheren Instinkt, dessen Richtigkeit sich später bei der Verteilung von Masse und Farbe ergeben würde. Manche nahmen einen bei der Hand wie Träumer, die sich damit begnügen, am Rande eines Traumes zu bleiben, und nur langsam und quälend enthüllen, was offenbar nicht ausdrückbar war. Wieder andere befanden sich gleichsam auf Signalstationen, es machte ihnen ungeheuren Spaß, Weichen zu stellen und Lichter aufblitzen zu lassen. Bei ihnen war alles scharf und kühn abgegrenzt, sie ließen ihre Gedanken wie Züge mit genauen Fahrplänen in den Bahnhof rollen. Und dann gab es jene, die entweder geistesgestört oder besessen aufs Geratewohl mit heiseren Schreien, Hohngelächter und Flüchen begannen. Diese drückten ihre Gedanken nicht auf, sondern durch die Seiten wie wild gewordene Maschinen. So verschieden sie waren, alle diese Methoden, das Eis zu brechen, waren symptomatisch für die Persönlichkeit, keine Entfaltung vorher ausstudierter Arbeitstechnik. Aus der Art, wie ein Buch begann, konnte man entnehmen, wie ein Autor ging oder sprach, welche Lebensanschauung er hatte, ob er den Problemen mutig zu Leibe ging oder seine Ängste versteckte. Manche begannen mit einem klaren Blick auf das Ziel, andere fingen blind an, jede Zeile ein stilles Gebet, das zu der nächsten führte. Was für eine Qual - dieses Lüften des Schleiers! Was für ein schaudererregendes Wagnis - dieses Enthüllen der Mumie! Nicht einer, nicht einmal die größten, konnten genau sagen, was sie

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