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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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einer Minute oder einer Stunde, was machte das schon? Ich war an der Zechprellerei beteiligt. Kein Entkommen. Der Zauber war aus.
    Ich versuchte, mir auszurechnen, um wieviel sie uns wohl schröpfen wollten. Wie niedrig sie auch sein mochte, ich wußte, Osiecki konnte nicht bezahlen. Ich saß da wie eine Wühlmaus in ihrem Loch und wartete auf das Zuschnappen der Falle.. Ich bekam Durst. Ich streckte den Arm nach dem Champagner aus, als ein anderer Kellner in Hemdsärmeln herankam und den Tisch abdeckte. Zuerst griff er nach der Flasche. Dann räumte er die Speisereste fort. Nicht ein Krümchen übersah er. Schließlich zog er auch das Tischtuch weg.
    Einen Augenblick war ich mir nicht sicher, ob man mir nicht den Stuhl wegzerren oder mir einen Besen in die Hand drücken und mir befehlen würde, an die Arbeit zu gehen.
    Wenn du nicht mehr ein noch aus weißt, schlag dein Wasser ab. Ein guter Gedanke, sagte ich mir. Auf diese Weise konnte ich vielleicht sogar entdecken, wo Osiecki war.
     
    Die Toilette war am Ende des Flurs, etwas weiter als der Aufzug. Die Sterne waren verblichen. Kein blauer Himmel mehr. Platte alltägliche Wirklichkeit - mit Stoppeln am Kinn. Auf dem Rückweg sah ich vier oder fünf Männer, die in einer Ecke zusammenstanden. Auf ihren Gesichtern malten sich Angst und Schrecken. Ein gewalttätig aussehender Hüne in Uniform überragte sie turmhoch. Der vollendete Rausschmeißer.
    Von Osiecki sah ich keine Spur.
    Ich setzte mich wieder an meinen Tisch. Ich war inzwischen noch durstiger geworden. Ein Glas Leitungswasser wäre mir jetzt willkommen gewesen, aber ich wagte nicht, um eins zu bitten. Das schummerige Blau war aschgrau geworden. Ich konnte jetzt die Gegenstände deutlicher sehen. Es war das Ende eines Traumes, dessen Ränder bereits ausgefranst sind.
    «Wo mag er nur stecken?» fragte ich mich. «Versucht er, sich herauszureden?»
    Mich schauderte, wenn ich daran dachte, was uns passieren würde, wenn dieses Ungeheuer in Uniform uns abführte.
    Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis Osiecki wieder erschien. Ich dachte, der hat sein Fett weg, aber er sah gar nicht danach aus. Er lachte sogar vergnügt in sich hinein.
    «So, jetzt können wir gehen», sagte er. «Es ist alles geregelt.»
    Ich sprang auf. «Wieviel?» fragte ich, als wir zur Garderobe trippelten.
    «Rate.»
    «Keine Ahnung.»
    «Fast ein Hunderter», sagte er.
    «Nein!»
    «Warte», sagte er. «Warte, bis wir draußen sind.»
    Das Lokal sah jetzt wie das Innere einer Sargfabrik aus. Nur Gespenster wanderten umher. Bei hellem Tageslicht mußte der Anblick furchtbar sein. Ich dachte an die Männer, die ich in einer Ecke zusammengeduckt gesehen hatte. Wie ihnen die «Behandlung» wohl bekommenwar?
    Der Morgen dämmerte, als wir nach draußen kamen. Nichts in Sicht als vollgestopfte und überquellende Mülleimer. Selbst die Katzen waren verschwunden. Wir gingen schnell auf die nächste U-Bahn-Station zu.
    «Nun erkläre mir, wie in Teufels Namen du mit ihnen fertiggeworden bist.»
    Er lachte. «Es hat uns keinen Pfennig gekostet», sagte er.
    Er erklärte mir dann, was sich im Direktionsbüro zugetragen hatte. «Für einen Verrückten», dachte ich mir, «bist du gescheit genug.»
    Hier ist der Hergang: Nachdem er das Bargeld, das er bei sich trug, zusammengesucht hatte - es waren nur zwölf oder dreizehn Dollar -, wollte er für den Rest einen Scheck ausstellen. Der Geschäftsführer lachte ihm natürlich ins Gesicht. Er fragte Osiecki, ob er auf seinem Weg zum Büro etwas bemerkt habe. Osiecki wußte verdammt genau, was er damit sagen wollte. «Sie meinen diese Unglücksraben in der Flurecke?» Ja, auch sie hätten ihm angeboten, mit wertlosen Schecks zu bezahlen. Er zeigte auf die Uhren und Ringe, die auf dem Tisch lagen. Diesen Wink verstand Osiecki auch. Dann machte er, unschuldig wie ein Lamm, den Vorschlag, sie sollten uns beide dabehalten, bis die Banken aufmachten. Ein telefonischer Anruf würde ergeben, ob sein Scheck gut wäre oder nicht. Dann folgte ein Verhör. Wo arbeitete er? In welcher Sparte? Wie lange er schon in New York sei. War er verheiratet? Hatte er auch ein Sparkonto? Und so weiter.
    Daß die Sache für ihn schließlich günstig ausging, führte Osiecki auf die Visitenkarte zurück, die er dem Geschäftsführer überreichte. Sie trug ebenso wie das Scheckbuch den Namen eines hervorragenden Architekten, mit dem Osiecki befreundet war. Von da an ließ der Druck nach. Schließlich gaben sie ihm das

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