Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
ritt von hier gibt es eine Stelle, wo ein Wald aus dichten Eichen steht. Ganz am Ende des schmalen Pfades, der durch den Wald führt, findest du einen Kreis aus Pfählen. Dort stecken die Kö p fe jener, die es nicht wert waren, zum König der Feen zu we r den. Es sind viele Ritter! Solange man hier in den Sümpfen z u rückdenken kann, ist noch jeder gescheitert, der diesen Weg eingeschlagen hat.
Von einer Eiche dicht am Wasserhängen die Waffen der Toten herab. Dort findest du ein Horn, in das du dreimal stoßen mußt. Dies ist das Zeichen dafür, daß einer gekommen ist, den Kämpfer der Morrigan zu fordern. Wann immer das Horn g e blasen wird, beginnt es zu stürmen! Schlagartig verfinstert sich der Himmel, und dichter Nebel wird aus dem Sumpf steigen. Wenn das Ungewitter vorüberzieht, erheben sich die Feen aus den Sümpfen. Du mußt den Streiter der Hohen Königin b e zwingen. Gelingt dir dies, so wirst du ihr Gemahl und damit zum Herrscher in den Sümpfen. Doch solange die Menschen zurückdenken können, hat niemand den auserwählten Krieger bezwingen können.
Man sagt, die Kraft der alten Götter fließe durch seine Adern. So ist dieser Weg letztlich genauso tödlich wie ein Ritt in den Sumpf hinein. Wenn du klug bist, Ritter, dann opfere morgen dein Packpferd und kehre zu den Deinen zurück. Du hast b e reits bewiesen, daß es dir nicht an Mut fehlt. Verschenke dein Leben nicht bei einer so sinnlosen Suche.«
Volker hatte Niamhs Worten gebannt gelauscht. »Deine Sorge um mich berührt mein Herz, Niamh. Doch werden mich all deine Worte nicht daran hindern, meinen Weg zu gehen. Ich habe geschworen, die Nichte meines Königs zu retten, und ich habe noch niemals meinen Eid gebrochen. Gibt es vielleicht nicht noch eine andere Möglichkeit, in das Reich der Feen zu gelangen?«
Niamh lächelte traurig. »Du hast also beschlossen zu sterben, Ritter. Und dein Diener, wirst du ihn mit dir in den Tod ne h men?«
Volker blickte zu Golo. Der Knecht war wieder eingeschlafen. Es stimmte, er hatte kein Recht, von ihm zu verlangen, daß er mit ihm ging. Golo war fast noch ein Knabe. Er würde ihn for t schicken, bevor sie den Eichenhain erreichten. »Du hast meine Frage nicht beantwortet, schöne Bardin. Gibt es noch einen dri t ten Weg in das Feenreich?«
»Die Wege in die Andere Welt sind so zahlreich und ve r schlungen wie die Flüsse und Bäche, die dem Meer entgege n streben. Man sagt, es gibt Orte, von denen man mit nur einem einzigen Schritt in die Paläste der Feen gelangen kann. Doch ich kenne keines dieser verwunschenen Tore, und selbst wenn ich eines wüßte, würde dir das nicht weiterhelfen, denn man sagt, daß ein Sterblicher diese Pforten nur dann passieren kann, wenn die Unsterblichen es wünschen.«
Volker füllte seinen Becher noch einmal mit Met. Der Kopf wurde ihm schwer von dem Honigwein, und die beschwerliche Reise durch den Sumpf hatte an seinen Kräften gezehrt, doch noch kämpfte er gegen die Müdigkeit an. »Wer ist diese Macha, von der die Bauern und Fischer erzählen?«
Niamhs Finger strichen wieder über die Harfensaiten. Die s mal klang die Melodie wild und kriegerisch. »Morrigan hat drei Schwestern, von denen eine jede große Zauberkraft besitzt. Macha ist die älteste der drei. Sie gilt als die Herrin der Schlachtfelder und liebt den Krieg. Ihr zu Ehren errichten die Feenkrieger jene Pfahlkreise, die du schon gesehen hast, Ritter. Man nennt sie auch die Masten der Macha. Zur Nacht verwa n delt sie sich in einen Raben und kommt, um von dem Fleisch der Toten zu fressen. Bei Tage hat sie die Gestalt einer hochg e wachsenen, schönen Frau mit langem schwarzen Haar. Sie trägt einen Umhang, der aus Hunderten von Rabenfedern gefertigt ist. Manchmal schreitet sie durch die Reihen ihrer Krieger, wenn die Feen für sie kämpfen, und sie gibt den Wankelmüt i gen neues Vertrauen.«
Heulend pfiff der Wind über das Moor und rüttelte mit seinen eisigen Fingern an der Tür der kleinen Hütte. Volker zog den Pelz, den ihm Niamh geliehen hatte, ein wenig enger um seine Schultern und rückte etwas näher an das Feuer.
»Die zweite der Schwestern wird Babd genannt. Sie hat die Gestalt einer Riesin und trägt ein weißes Gewand. Ihr Haar ist rotgolden, so wie ein Sonnenaufgang. Es heißt, daß jene, die sterben werden, sie am Morgen vor ihrer letzten Schlacht als Wäscherin sehen, die blutige Gewänder in die Fluten eines kri s tallklaren Flusses taucht. Sie ist die Künderin des Unheils. Von Neman,
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