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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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hohe Gras sinken und blickte zur Sonne hinauf, die nur als blasse, gelblichweiße Scheibe hinter den tre i benden Nebelschleiern zu sehen war. Sie nannte ihn den Sä n ger, der sich aus den Gräbern der toten Helden erhebt. Der Spielmann hatte versucht, von ihr zu erfahren, was sie damit meinte, doch seine Heilerin war allen Fragen ausgewichen. Bei ihrem nächsten Besuch hatte sie ihm allerdings eine Laute mi t gebracht. Es war ein grobes Instrument, das sich seiner Kunst widersetzte und offenbar nur schiefe Töne von sich geben mochte. Dennoch war die Fee mit seiner Kunst zufrieden gew e sen und hatte ihm geraten, er solle sich in Spiel und Gesang üben. Vielleicht sollte er ein Lied für Neman dichten. Die mei s ten Frauen waren anfällig für derlei Schmeicheleien. Noch hatte sein Charme auf die Fee zwar keinerlei Wirkung gezeigt, doch das würde sich ändern! Womöglich war sie noch eine Jungfrau und wußte nicht recht, was mit Männern anzufangen war. Vo l ker lächelte. Er würde sie schon noch in die Künste der Liebe einführen!
    Eine Weile hing er seinen Gedanken nach, bis ein eigenartiges Geräusch ihn aufhorchen ließ. Es war ein Klatschen, so als kri e che ein großes Tier aus dem Sumpf an Land. Volker tastete nach dem Schwert an seiner Seite. Was im Namen des Herren war da auf seiner Insel? Das Geräusch klang jetzt fast rhyt h misch. Ganz langsam erhob sich der Spielmann und spähte in die treibenden Nebelschwaden. Was für eine Kreatur war da nur gekommen, um ihn heimzusuchen? Bislang hatte er noch keinen Gedanken daran verschwendet, daß der Sumpf außer den Feen vielleicht noch andere, gräßlichere Geschöpfe aussp u cken könnte.
    Vorsichtig schlich er den Hang hinab und duckte sich immer wieder in das kniehohe Gras. Es schien, als bewege sich das Geschöpf, das diese eigenartigen Laute verursachte, nicht von der Stelle. Volker zog sein Schwert. Vielleicht konnte er das Ungeheuer überraschen?
    Er mußte schon fast das Ufer erreicht haben. Das Geräusch kam ihm auf unbestimmte Art vertraut vor. Er hatte es schon einmal gehört, wußte aber nicht zu sagen wo.
    Plötzlich sah er eine kauernde Gestalt vor sich. Ein Frau mit langem Haar kniete auf einem Felsen am Ufer und schlug ein zusammengeknülltes Kleidungsstück gegen den Stein. Dann tauchte sie es wieder in Wasser und rieb es am Felsen entlang. Eine Wäscherin! Volker atmete auf und schob sein Schwert in die Scheide zurück. Auf welchem Weg sie wohl hierher gelangt war? Gab es am Ende doch eine Möglichkeit, ohne ein Boot die Insel zu verlassen?
    Einige Atemzüge lang beobachtete er die Frau. Der Nebel verbarg sie halb vor seinen Blicken, so daß er sie nicht genau erkennen konnte. Schließlich faßte er sich ein Herz und trat auf den flachen, vorspringenden Fels, auf dem sie kauerte. »Seid mir willkommen auf meiner Insel, schöne Fremde, und … «
    Mit einem spitzen Schrei sprang die Wäscherin auf. Das nasse Kleidungsstück entglitt ihren Fingern. Sie machte einen Satz zurück, so daß sie bis zu den Knien im Wasser stand. »Komm mir nicht näher! Mich zu sehen heißt zu sterben! Ich bin Babd, die Unglücksbotin!«
    Volker breitete die Arme aus. »Ich wollte Euch nicht erschr e cken. Verzeiht.«
    »Du kannst mich nicht erschrecken! Ich habe deine Nähe g e spürt, doch hätte ich nicht gedacht, daß du so töricht wärst, zu mir auf meinen Felsen zu kommen. Laß mich ziehen! Meine Arbeit ist getan … Noch ist es dir nicht verheißen, mein Antlitz zu sehen. Dir ist es bestimmt zu leben!« Sie legte den Kopf in den Nacken und stieß einen Laut aus, der an das Krächzen e i nes Raben erinnerte.
    Der Spielmann trat einen Schritt vor. »Was tut Ihr da?«
    »Dich retten, du Tor! Weiche von mir!«
    Ein Windstoß zerriß die Nebelschleier, und einen Atemzug lang konnte Volker die Gestalt der Frau deutlich erkennen. Sie trug ein langes, weißes Kleid ohne Ärmel. Prächtige Goldreifen wanden sich schlangengleich um ihre Arme. Es war Neman! Seine Retterin! Sie war zwar anders gekleidet und trug ung e wöhnlichen Schmuck, doch konnte es keinen Zweifel geben! Fast augenblicklich riß die Fee ihre Arme hoch und bedeckte ihr Gesicht. »Komm nicht näher, du Narr! Zurück in den Nebel mit dir!«
    »Mit wem sprecht Ihr, Herrin?« ertönte eine dunkle Männe r stimme.
    »Es sind die Geister der toten Helden. Sie sind unruhig, so als würden sie spüren, daß Arbotorix sich bald zu ihnen gesellen wird.« Die Wäscherin kniete nieder und griff rasch nach dem

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