Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
Gwen ist nur noch das Gefäß. Wenn keine der Gö t tinnen in ihr ist, sitzt sie nur reglos in ihrer Kammer und starrt vor sich hin. Wenn ich zu ihr spreche, scheint sie mich nicht zu hören. Die Priesterinnen müssen sie füttern, so als sei sie ein kleines Kind. Sie kann nicht einmal mehr einen Löffel zum Mund führen, meine Gwen … «
    Volker schaute betroffen zu Boden. Der Alte tat ihm leid, und doch war jetzt keine Zeit, sich seine Geschichte anzuhören. Der Kriegsrat hatte sich gewiß bereits im Langhaus der Burg ve r sammelt, und sie würden einen Angriffsplan beschließen, ohne ihn gehört zu haben!
    »Neman ist die einzige, die meiner Gwen wenigstens ein w e nig ähnelt. Sie hat mir von dir erzählt. Sie liebt deine Geschic h ten, auch wenn ich glaube, daß du sie über deine Herkunft b e logen hast.«
    »Du weißt also, daß ich nicht der … «
    Der Priester lächelte. »Ich weiß, wie Neman dich zu dem Sä n ger gemacht hat, der sich aus den Gräbern der toten Helden erhebt. Es war ihr Entschluß, daß du es sein solltest. Sie ist eine Göttin. Sie wird wissen, was sie tut. Sie wollte dich hier haben, deshalb hat sie dich aus dem Grab geholt und die heilige Hoc h zeit mit dir gefeiert. Ich glaube, sie liebt dich. Nicht daß ich b e greifen könnte, worauf sich diese Liebe begründet, doch was wissen Menschen schon von Göttern? Weil ich der Barde bin und wissen muß, was wirklich war, wenn ich die Geschichte unseres Volkes weitererzählen will, hat sie mir die Wahrheit gesagt. Macha mag dich nicht. Sie hält dich für einen Betrüger. Nimm dich vor ihr in acht! Vielleicht würde sie dich sogar t ö ten. Babd bist du gleichgültig … « Der Priester lächelte zynisch. »Doch achte darauf, daß Babd niemals eines deiner Gewänder wäscht. Wenn du sie dabei siehst, weißt du, daß der Tag g e kommen ist, an dem du sterben wirst. Sei ständig auf der Hut! Wenn du mit einer der Göttinnen zusammen bist, darfst du dich keinen Atemzug lang sicher fühlen. Innerhalb eines Li d schlages könnte Neman den Leib der Morrigan verlassen, und vielleicht tritt Macha an ihre Stelle. Das war es, was du dort oben im Heiligtum beobachtet hast.«
    Der Spielmann konnte dem Alten nicht glauben. Welches Ziel mochte der Priester mit dieser Geschichte verfolgen? Ob er es wagen sollte, ihn offen darauf anzusprechen? Es blieb nicht mehr viel Zeit. Vielleicht war es klüger, auf Intrigen und Spi e gelfechterei zu verzichten? »Was willst du von mir, Ambiorix? Warum erzählst du mir das alles?«
    »Weil du meine Tochter in deinen Armen halten wirst, wenn Neman sich entschließt, sich dir hinzugeben. Ihr Leib ist das einzige, was von Gwen noch übriggeblieben ist … Sei zärtlich zu ihr … « Der Alte stockte. Für einen Moment lang schien er um seine Fassung zu ringen. Dann sprach er leise, aber sehr ei n dringlich weiter. »Du gehörst nicht hierher, Sänger. Ich habe dich beobachtet, wie du einer der Frauen, die sie aus der Burg des Normannen mitgebracht haben, in den Wald gefolgt bist. Ist sie der Grund dafür, daß du gekommen bist? Sie heißt Gu n brid, nicht wahr? Ist sie dein Weib?«
    Volker schüttelte den Kopf. Ambiorix hatte ihn also tatsäc h lich durchschaut. »Gunbrid ist die Nichte meines Königs, Gu n ther von Burgund. Es ist wahr, ich wollte sie in ihre Heimat z u rückbringen, aber sie hat beschlossen, bei den Priesterinnen zu bleiben.«
    »Gehe zurück zu deinem König, Sänger! Hier ist kein Ort für dich. Glaube mir, Macha wird dich töten. Nutze die nächste Gelegenheit zur Flucht. Du kannst unsere Welt nicht verstehen. Ich sehe dir an, daß du meinen Worten kaum Glauben sche n ken magst, und doch sind sie wahr.«
    Der Spielmann blickte Ambiorix lange in die Augen. Der Alte hielt ihm stand. Was für ein Spiel trieb der Priester? War er wirklich ein Freund? Oder versuchte Ambiorix, ihn zu einem Fehler zu verleiten? Als Volker gehen wollte, hielt der alte Mann ihn noch einmal zurück. »Wundere dich nicht über das, was im Kriegsrat gesprochen werden wird. Wir müssen die Fremden noch draußen im Sumpf angreifen. Wir haben keine andere Wahl!«
    »Das ist Irrsinn! Warum sollten wir den Vorteil einer gut b e festigten Stellung aufgeben? Wenn Macha diesen Befehl gibt, werden viele Männer aus der Stadt mit ihrem Leben dafür za h len müssen.«
    Der Alte schüttelte ärgerlich den Kopf. »Du begreifst wirklich gar nichts. Wenn sie bis vor unsere Mauern kommen, dann ist unser Geheimnis verloren. Selbst ein Sieg

Weitere Kostenlose Bücher