Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
die Anzahl der Soldaten, die auf der Lichtung zusammengepfercht waren, mindestens verdo p pelt. Wie aufgescheuchte Hühner rannten die Normannen he r um, und es war sicher kaum einer unter ihnen, der jetzt daran dachte, die flüchtenden Heiden zu verfolgen.
    Volker hieb seinem Hengst die Fersen in die Flanken und ve r suchte, das Pferd zum Rand des Lagers hin zu lenken. Er mußte sehen, daß er von hier fortkam. Wenn die Pferde erst einmal begannen, sich zu beruhigen, dann sollte er besser nicht mehr inmitten des feindlichen Heerlagers sein.
    Obwohl der Spielmann ein ausgezeichneter Reiter war, hatte er mit dem scheuenden Hengst einige Mühe. Ohne Sattel und Zaumzeug hatte er noch nie zuvor in seinem Leben ein Pferd geritten. Ganz zu schweigen davon, daß er natürlich auch noch niemals nackt auf einem Hengst gesessen hatte. Für ein Helde n lied bei Hof wäre diese Schlacht gewiß nicht geeignet, obwohl einige Damen Gefallen an solchen Geschichten finden würden.

16. KAPITEL

    taunend und ein wenig verwundert betrachtete Golo die Stadt des Nachtvolks. Die Späher des B i schofs hatten sie auf einer Insel inmitten der Süm p fe entdeckt, und drei Tage nach der Schlacht am Trophäenbaum landete das christliche Heer auf dem Eiland. Der junge Ritter hatte himmelhohe, marmorne Türme erwartet, goldene Dächer und seidene Banner, die von den Zinnen flatterten. Doch es gab nichts von alledem. Drei mächtige Mauern aus Bruchstein umgürteten die Stadt auf dem Hügel. Die Dächer der Hütten waren aus Schilf oder Hol z schindeln. Rings um die Stadt breiteten sich Äcker aus, durc h zogen von einem komplizierten System von Kanälen und De i chen. Nichts erschien ihm hier zauberhaft. Es gab keine Feen! Diese Stadt war zweifellos von ganz normalen Sterblichen e r baut. So dachte jeder Soldat im Heer des Bischofs, und gierig starrten die Männer nach den Mauern. Jehan de Thenac hatte ihnen Gold und Silber versprochen, das sich angeblich in den Tempeln der Heiden zuhauf türmte. Auch waren die Männer entschlossen, Rache für den Überfall auf das Lager zu nehmen. Mehr als zweihundert Mann hatten in jener Nacht den Tod g e funden, und es gab noch einmal so viele Verwundete.
    Mit der Niederlage schien der Wille zum Widerstand unter den Sumpfleuten gebrochen zu sein. Fast unbehelligt hatte das Heer des Bischofs den Sumpf durchquert, und auch während das Lager vor den Mauern der Stadt errichtet wurde, gab es keinen Widerstand. Die hohen Wälle schienen verlassen, und abgesehen von den weißen Rauchsäulen der Torffeuer, die über den Dächern fast senkrecht in den Himmel stiegen, gab es nicht das geringste Lebenszeichen.
    Die Byzantiner, die der Bischof in seinen Sold genommen ha t te, waren den ganzen Nachmittag über damit beschäftigt gew e sen, zwei große Katapulte aus vorgefertigten Holzteilen z u sammenzusetzen. Wie die Löffel eines Riesen sahen die langen Arme der Geschütze aus. Die Kellen am Ende der hölzernen Arme waren mit dicken Eisenblechen verkleidet und schimme r ten matt in der Sonne. Golo, der mit einigen anderen Rittern zum Schutz der Katapulte abkommandiert war, beobachtete neugierig die Fortschritte, die die Arbeit der Griechen machte. Statt Felsbrocken schafften sie nun etliche kleine Kisten heran.
    Erst als die Geschütze fertig zusammengebaut waren und die Byzantiner Gelehrten sie jeweils dreimal abfeuern ließen, ohne jedoch ein Geschoß auf ihre hölzernen Löffel zu legen, wurde die erste der Kisten geöffnet. Sie enthielt einen bauchigen, fast runden Tonkrug, der mit einer Manschette aus geflochtenem Stroh umgeben war. Auch die Kiste selbst hatte man mit gol d gelbem Stroh ausgepolstert, so als seien die Tongefäße von u n geheurem Wert und dürften auf gar keinem Fall zerbrechen.
    Zwischen den beiden Katapulten war eine eiserne Schüssel auf einem Dreibein aufgestellt worden, in der glühende Kohlen glommen. Zwei kleine Fässer wurden herangerollt, und man hebelte ihre Deckel auf. Sie waren bis zum Rand mit einem schwarzen, übel stinkenden, zähflüssigen Schlamm gefüllt. E i ner der Byzantiner, ein älterer Mann mit grauen Bartstoppeln auf den Wangen, gab ein Kommando, und zwei seiner Waffe n knechte plazierten auf den Wurflöffeln der Katapulte je einen dieser merkwürdigen Tonkrüge.
    »Die wollen die Heiden hinter ihren Wällen wohl mit griech i schem Wein vergiften«, spottete einer der normannischen Ri t ter. Golo schmunzelte. Indessen traten zwei der Männer, die den Aufbau der Geschütze

Weitere Kostenlose Bücher