Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
Macha zu einem der Boote! Die Göttin muß vor den Feinden gerettet werden.«
Der junge Mann nickte stumm. Tränen rannen ihm übers G e sicht, als er Macha auf den Arm nahm und geschützt durch zwei Schildträger zum Wald zurücklief. Auf der anderen Seite der Halbinsel lagen die Boote versteckt, auf denen die kleine Armee des Nachtvolks von Galis her übergesetzt war. Volker betete stumm, daß sich keines der normannischen Drachenbo o te dorthin verirrt hatte. Es war nur eine Handvoll Knaben und alter Männer zur Bewachung zurückgeblieben. Die Nordmä n ner würden leichtes Spiel mit ihnen haben. Er sollte lieber erst gar nicht daran denken! Wenn sie die Boote verloren, gab es keine Möglichkeit zum Rückzug mehr.
Fluchend griff Volker nach dem Horn an seinem Gürtel. A b gesehen von dem breiten Wehrgehänge um seine Hüften war auch er nackt und mit magischen Zeichen bemalt, wie die übr i gen Kämpfer des Nachtvolks. Er würde jetzt das Zeichen g e ben. Wenigstens hatten diese Narren beim Kriegsrat in diesem Punkt auf ihn gehört. Es waren einige Hornsignale ausgemacht worden, die alle Krieger kannten. Dies war die einzige Mö g lichkeit, die Truppen im dichten Schlachtgetümmel noch zu lenken.
Dreimal erklang der Ruf seines Horns, dann hob Volker sein Schwert und drängte sich erneut in die vorderste Schlachtreihe. Es war absurd, daß er als christlicher Ritter hier auf seiten der Heiden gegen ein christliches Heer focht. Im Grunde stand er auf der falschen Seite. Nur Gunbrid zuliebe war er in diese Schlacht gezogen. Nach dem Kriegsrat war die Nichte seines Königs in seine Gemächer gekommen und hatte ihm in aller Deutlichkeit geschildert, was geschehen würde, wenn er sie nicht verteidigte. Gunbrid hatte schon immer eine scharfe Zunge gehabt und ihre Argumente wie Pfeile auf ihn abgeschossen! Natürlich wußte Volker, was geschehen würde, wenn ein christliches Heer eine heidnische Stadt eroberte. Es würde ve r gewaltigt, gemordet und gebrandschatzt. Und er war zu ihrem Schutz hier.
Der Spielmann wich dem Angriff eines Axtkämpfers aus und traf den Mann mit seinem Schwert knapp oberhalb des Knies in den Schenkel. Volker bemühte sich, keinen der christlichen Kämpfer zu töten. Niemals hätte er sich träumen lassen, daß diese Reise damit enden würde, daß er gezwungen war, gegen die rechtmäßigen Herren Aquitaniens zu kämpfen. Doch als Ritter Gunther s mußte er dessen Nichte beschützen, und das konnte er nur, indem er verhinderte, daß diese Bastarde die Mauern von Galis erreichten. Verzweifelt hatte er im Kriegsrat versucht, Macha von einem direkten Angriff auf das Ritterheer abzuhalten. Doch die Rabengöttin hatte sich durchgesetzt. Noch nie hatten ihre Krieger eine Niederlage erlitten, und sie folgten ihr blind.
Endlich erklang vom Wald her das Geräusch donnernder H u fe. Bei ihrem Angriff war nur ein Teil der Schlachtrösser in das Lager der Normannen getrieben worden. Mit seinem Hornsi g nal hatte er den Befehl erteilt, auch die restlichen Pferde auf die Lichtung zu treiben. Nur so bestand Hoffnung, die Reihen der Feinde durcheinanderzubringen. Volker duckte sich unter dem Angriff eines hünenhaften Normannen, der zweihändig eine riesige Axt führte. Hastig blickte er hinter sich. Schon konnte er die ersten Pferde zwischen den Bäumen erkennen. Zuerst wü r den die Tiere durch die Schlachtreihe des Nachtvolks brechen. Volker hoffte, daß nicht allzuviele seiner Männer unter den H u fen der Schlachtrösser sterben würden. Ohne schwere Kette n hemden waren sie wendiger als die Normannen und konnten den Pferden leichter ausweichen.
Der Axtkämpfer, der eben noch auf ihn eingedroschen hatte, ließ nun seine Waffe fallen und wandte sich zur Flucht. Noch bevor die Hengste die Lichtung erreichten, zerfielen die Schlachtreihen des Nachtvolks und der Christenritter. Volker stieß sein Schwert in die Scheide zurück und drehte sich zu den Pferden um. Mit einem Hechtsprung wich er einem grauen Hengst aus und griff dann in die Mähne eines Rappen, um sich auf den Rücken des Pferdes zu ziehen. Hier oben war er am sichersten. Flach über den Hals des Pferdes gebeugt, zog er sein Horn aus dem Gürtel und gab das Signal zum Rückzug.
So wie eine Lawine, die einen Bergwald niederreißt, ze r sprengten die Pferde die Reihen der Normannen. Auf der e n gen Lichtung war nur wenig Platz zum Ausweichen. Schreiend liefen die Krieger und Söldner durcheinander. Durch die Mä n ner von den Schiffen hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher