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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Fenster, dessen Verschlag geöffnet worden war. »Überhaupt, was weckt ihr mich so früh am Morgen? Bis zur Arbeit hat es bestimmt noch eine Stunde!«
    »Nein«, erwiderte Otter. »Du sollst dich fertigmachen, um mit Reinhold nach Xanten zu reiten. Ein berittener Bote kam im Morgengrauen und meldete das Nahen der Friesen. Eine ganze Flotte kommt den Rhein herauf, und über den Schiffen weht das königliche Wolfsbanner.«
    »König Hariolf«, murmelte Siegfried. »So früh schon?«
    »Meister Reinhold ist auch beunruhigt«, brummte Wieland, der noch immer seinen Hals rieb. »Er will in Xanten sein, noch bevor die Friesen dort ankommen. Du sollst dich beeilen. Er läßt den Grauen satteln.«
    Der Graue!
    Bei dem Gedanken an das tapfere Pferd fühlte sich Siegfried gar nicht wohl. Der nächtliche Ausflug mußte selbst ein so kräftiges Tier erschöpft haben. Sollte Siegfried seinem Ziehvater reinen Wein einschenken? Aber was war, wenn Reinhold ihm verbot, auch die zweite Schwerthälfte zu holen?
    Nachdem Otter und Wieland ihn verlassen hatten, zog er sich an und ging schlaftrunken in den Speisesaal. Trotz der nächtlichen Aufregung verspürte er kaum Hunger und begnügte sich mit Brot, etwas Würzquark und Ziegenmilch.
    Seine beiden Freunde hatten sich zu ihm gesetzt, und Otter frotzelte: »Dir schmeckt die einfache Landkost wohl nicht mehr, wo du bald ein König sein wirst. Träumst wohl schon von wohlriechenden Leckereien, von Fleischpasteten und kandierten Früchten.« Bei dieser Vorstellung schleckte Otters lange Zunge über die Lippen.
    Otters Worte trafen Siegfried. Nicht, weil sie wahr gewesen wären. Der Prinz aus Xanten hatte sich auf der Schwertburg sehr wohl gefühlt, das einfache Leben und die harte Arbeit hatten ihm gefallen. Was ihn bedrückte, war der Gedanke an den Verlust all dessen, was sein Leben in den letzten Jahren ausgemacht hatte. Der Verlust von Freunden und von jugendlicher Ungezwungenheit.
    Manche Nacht hatte er mit offenen Augen in der engen Kammer gelegen und davon geträumt, ein tapferer Ritter in strahlender Rüstung zu sein, ein weiser, angesehener König, fremde Länder zu bereisen, gegen feindliche Recken und Untiere zu kämpfen. Immer hatte er an all das gedacht, was er gewinnen wollte, nie an das, was er dabei unweigerlich verlieren würde: Otter, Wieland und die Träume, die sich erfüllten. In gewisser Weise auch Graf Reinhold, der nicht länger sein Zuchtmeister, sondern sein treuer, ergebener Untertan sein würde.
    »Was denn, warum steht ihr hier so untätig herum?« brüllte Reinhold.
    Breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt, stand er gestiefelt und gespornt im Durchgang zum Burghof. Das seidige Hemd und das samtene Wams wollten nicht recht zu der großen, kräftigen Gestalt passen. Vielleicht hatte Siegfried diesen Eindruck auch nur, weil er Reinhold zumeist mit nackter Brust und lederner Schürze an seiner Esse vor sich sah.
    »Komm schon, Siegfried«, mahnte Reinhold. »Graufell steht bereit.«
    Schnell verabschiedete sich Siegfried von Otter und Wieland und lief hinaus. »Nur zwei Pferde?« staunte er, als er in den Hof kam, wo Graufell neben einem großen Rapphengst stand. »Nehmen wir kein Gefolge mit, keine Knappen, kein Gepäck?«
    »Wozu uns damit aufhalten?« entgegnete Reinhold und schwang sich in den Sattel, ohne auf die Hilfe des Reitknechts zu warten, der die Zügel hielt. »Graufell und Nachtwind sind die schnellsten Pferde weit und breit. Alles andere würde uns nur aufhalten und König Hariolf einen Vorsprung verschaffen.«
    Auch Siegfried stieg in den Sattel. Sie verließen die Schwertburg und galoppierten gen Süden. Zwar lag auch Xanten am Fluß, aber die Reiter nahmen den kürzesten Weg und folgten nicht den zahlreichen Windungen des Stroms.
    Unwillkürlich mußte Siegfried wieder an den einäugigen Wolf denken und fragte sich, ob es wirklich nur ein Tier gewesen war. Es gab die alten Geschichten von Ungeheuern, die man Mannwölfe, Nachtwölfe oder Werwölfe hieß. War das Wahrheit oder Aberglaube? Siegfried wußte es nicht, doch das unbestimmte Gefühl blieb, daß ihm eine überirdische Macht entgegengetreten war.
    Er dachte an den Falken und fühlte sich in dieser Annahme bestätigt. Stärker noch als der Wolf hatte der große Vogel in ihm die Empfindung hervorgerufen, es mit unheimlichen Kräften zu tun zu haben. Der Falke war sein Retter gewesen. Doch wer hatte ihn geschickt?
    Wodan selbst, der göttliche Stammvater des Xantener

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