Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
Vom Netzwerk:
Auftrag erteilt?«
    Reinhold blickte auf das Päckchen mit dem Runenschwert und sagte: »Vielleicht…« Dann erstarb seine Stimme, seine Stirn umwölkte sich, und er schüttelte den Kopf.
    »Was wolltet Ihr sagen, Meister?«
    »Mir kam da eben ein Gedanke. Aber das ist natürlich Unsinn. Aberglaube, würde Bischof Severin sagen.«
    »Vieles, was ich in den letzten Tagen erlebt habe, würde der Bischof nicht verstehen.«
    »Da hast du wohl recht, Siegfried.« Reinholds Schmunzeln galt offenbar der Vorstellung, wie der Bischof von Xanten auf die Geschichte von Siegfrieds Abenteuern reagiert hätte. »Mein Gedanke allerdings würde Seine Eminenz zutiefst erschrecken. Ich dachte daran, daß der rote Falke das Wappentier des Xantener Königshauses ist. Und mir fiel der Glaube der Alten ein, die Seelen Verstorbener könnten in Tiere fahren.«
    »Die Seelen Verstorbener…« Siegfried sprach die Worte leise und nachdenklich mit nach innen gekehrtem Blick. Als er die Bedeutung von Reinholds Äußerung erkannte, zerriß der Schleier, der sich auf seine Augen gelegt hatte. Er starrte den Lehrmeister an, als habe sich dieser in ein Untier verwandelt, in den Riesenwolf oder die Wasserschlange. Oder in den roten Falken! »Ihr wollt damit doch nicht sagen, daß mein Vater den Falken gesandt hat?«
    »Das war meine heidnische Überlegung. Gewiß ein Frevel in den Augen eines Christen. Allerdings ist auch die Heilige Schrift voll von Wundern.«
    »Habt Ihr Beweise für Eure Annahme?« Erregt ging Siegfried zwischen Esse und Werkbank hin und her.
    »Das ist keine Sache des Beweises, sondern des Glaubens und Fühlens. Und nicht auf mich kommt es dabei an, sondern ganz allein auf dich, Siegfried. Wenn du glaubst, daß der Falke ein Bote von König Siegmund war, daß dein Vater dir sein Erbe anvertrauen will, dann solltest du das Runenschwert tragen. Andernfalls hättest du die Schwerthälften besser in der Wolfsburg und in der Schlangenhöhle gelassen.«
    Zwar war Siegfried von der Offenheit überrascht, mit der Reinhold über Dinge sprach, die von der Kirche als Heidentum verteufelt wurden. Aber insgeheim hatte der junge Xantener ähnliche Überlegungen über den roten Falken angestellt. Wenn der Raubvogel ein Freund und Retter war, warum dann nicht ein Bote des Vaters? Hatte Siegfried an dem Abend, als er zur Wolfsburg ritt, nicht geglaubt, König Siegmunds Gesicht in den Wassern des Rheins zu sehen?
    Er erzählte Reinhold, wie er darüber dachte.
    »Ich halte deine Gedanken für weise, Siegfried. Die Götter sind mit dir.«
    »Wirklich?« fragte er zweifelnd. »Was ist mit dem grauen Schemen, den ich mehrmals sah, dem Grauen Geist?«
    »Vielleicht war es nur eine Ausgeburt deiner Phantasie.«
    »Aber auch Amke hat ihn an der Schlangenhöhle gesehen.«
    »Auch sie kann sich getäuscht haben. Wenn dort aber tatsächlich etwas war, einem Menschen ähnlich, aber doch keiner, so würde ich dabei an den Falken denken. Wer ihn geschickt hat, hat wissen wollen, ob der Vogel dir wirklich Rettung brachte.«
    Ein seltsames Gefühl ergriff von Siegfried Besitz. Als wäre er eingehüllt von Wärme und Zuneigung. Niemals in den fünf Jahre seit dem Friesenfeldzug hatte er sich seinem toten Vater so nah gefühlt.
    »Wir wollen uns an die Arbeit machen«, rief Reinhold und ging zur Werkbank.
    »In der Nacht?« fragte Siegfried.
    »Die beste Zeit, um ungestört zu arbeiten.« Reinhold schlug das Tuch auseinander und berührte das zerbrochene Schwert, ganz vorsichtig, als könne er sich daran die Finger verbrennen. Er umfaßte den vergoldeten Griff, hob ihn an und strich über die goldausgelegten Runen am oberen Ende der Klinge. »Diese Runen sind wahrlich ein Geschenk der Götter!«
    Siegfried trat zu ihm und fragte: »Was bedeuten sie?«
    »Es sind die beiden ersten Buchstaben des Futharks, des Runenalphabets.« Reinhold zeigte auf die erste der Goldfiguren, die aus einer senkrechten Linie mit zwei aufwärts gebogenen, nach rechts führenden Verästelungen bestand. »Dies ist die Rune Fehu.«
    »Das klingt wie Vieh«, wunderte sich Siegfried.
    »Das heißt es auch und vieles mehr. Fehu symbolisiert die Kraft der Rinder, die sich auf die Menschen überträgt und zugleich die Kraft der Götter ist. Fehu beinhaltet die Macht, alles zu erreichen, und das Feuer der Schöpfung und Zerstörung.«
    »Und diese Rune?« Siegfried deutete auf die andere Klingenseite, die ein hufeisenähnliches Zeichen zierte.
    »Das ist Uruz, Fehus Gegenstück, die Rune des

Weitere Kostenlose Bücher