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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Schwerthälften deutlich hervorzuheben. So deutlich, daß es wirkte, als leuchte das Runenschwert, als gehe ein unwirklicher blauer Schimmer von ihm aus.
    Reinhold ließ sich langsam neben seinem Ziehsohn auf die Knie sinken und betrachtete schweigend und mit ungläubig aufgerissenen Augen den Stahl. Auf dem Schmiedehof war es so still, daß Gelächter, Gesang und Musik aus dem Speisesaal deutlich zu vernehmen waren. Reinholds Lippen öffneten sich und sprachen lautlose Worte. Selten hatte ihn Siegfried so fassungslos erlebt.
    Der Schmied räusperte sich, riß seinen Blick von dem zerbrochenen Schwert los und wandte sich seinem Schützling zu: »Du hast es also wirklich getan!« Seine Stimme zitterte. In den Worten schwang eine Vielzahl von Gefühlen mit: Überraschung, Anerkennung, aber auch ein deutlicher Vorwurf. »Hattest du mir nicht versprochen, dir alles gut zu überlegen?«
    »Mir wurde klar, daß ich das Erbe meines Vaters nicht verleugnen darf. Was für ein König wäre ich, hätte ich nicht versucht, das Runenschwert zu erlangen?«
    »Die Worte eines Mannes«, seufzte Reinhold, während er abwechselnd Siegfried und das Schwert betrachtete. »Allmählich beginne ich zu verstehen. Ich nehme an, daß dein Ausflug am Jagdtag dich zur Schlangenhöhle geführt hat?«
    »Ja, Herr.«
    »Und Prinzessin Amke?«
    »Ich mußte sie mitnehmen, nachdem ihr Pferd vor dem Bären geflohen war. Aber sie weiß nichts von dem Schwert.«
    »Das ist auch besser so«, sagte Reinhold leise. »Die Friesen haben keine gute Erinnerung an das Runenschwert und an den Feldzug, auf dem König Siegmund die magische Klinge führte.« Er lächelte plötzlich. »Die Wolfsburg hast du vermutlich in der Nacht besucht, bevor wir nach Xanten aufgebrochen sind?« Siegfried nickte eifrig und wollte von seinen unglaublichen Abenteuern erzählen.
    »Nicht hier«, ermahnte ihn Reinhold. »Auch wenn der Hof verlassen scheint, kann hinter vielen Ecken ein heimlicher Lauscher verborgen sein. Gehen wir in die Schmiede!«
    Sorgsam legte Siegfried sein Bündel zusammen und nahm es auf, bevor er Reinhold in eine der Schmiedehütten folgte. Der Schmied verschloß hinter ihm die Tür und schlug auch die Klappen der scheibenlosen Fenster zu. Das blauschwarze Himmelslicht, das durch den Rauchabzug einfiel, war kaum noch wahrzunehmen. Dafür lag auf dem ganzen Raum ein rötlicher Glanz, den die noch glimmenden Kohlen in der Esse ausstrahlten.
    Reinhold griff nach der klobigen, rußgeschwärzten Laterne, die an einer Deckenverstrebung hing. Er löste sie vom Haken und ging mit ihr zur Esse. Er nahm eine der unzähligen Zangen, die an einem dicken Draht vor der Esse aufgehängt waren, und griff damit ein rotglühendes Kohlenstück, das er so lange an das Lampenöl hielt, bis es sich entzündete. Als er die Laterne an ihren angestammten Platz zurückhängte, verbreitete sich ein seltsamer Geruch in der Schmiede. Es roch nach Wald, nach den Beeren, aus denen das Öl gewonnen war.
    »Jetzt berichte«, sagte Reinhold. Er setzte sich auf einen wuchtigen Rüsterblock, lehnte den Rücken gegen den Amboß und sah seinen Schüler neugierig an.
    Siegfried blieb stehen. Er legte sein Bündel auf eine steinerne Werkbank und erzählte von seinen Abenteuern in der Wolfsburg und in der Schlangenhöhle, von dem einäugigen Wolf und der einäugigen Wasserschlange, von der Königsotter, von dem roten Falken und auch von der schemenhaften Gestalt, dem Grauen Geist. Sogar von dem Streit mit Prinz Harko berichtete er.
    »Bei allen Göttern der Alten!« rief Reinhold aus, als Siegfried geendet hatte. »Selbst unser wackerer Spielmann hätte kaum eine unglaublichere Geschichte erzählen können.«
    »Ihr glaubt mir nicht?« fragte Siegfried enttäuscht.
    »Doch, jedes Wort. Der Beweis liegt dort auf der Werkbank. Trotzdem sind es erstaunliche Abenteuer, die du bestanden hast. Fast noch erstaunlicher ist es, daß du noch lebst! Deine Mutter hätte mich im Rhein ersäufen lassen, hätten die Bestien dir etwas angetan!«
    »Es waren wirklich seltsame Bestien. Ich möchte wissen, ob es nur Tiere waren. Und warum erschien zweimal der rote Falke, um mir zu helfen?«
    »Tiere können manchmal mehr als Tiere sein, so wie Menschen zuweilen mehr als Menschen sind«, lautete Reinholds rätselhafte Erwiderung. »Vielleicht war der Falke nur ein Vogel und hatte trotzdem den Auftrag, dich zu schützen.«
    »Einen Auftrag.« Siegfried überlegte. »Ja, so schien es tatsächlich. Aber wer hat ihm den

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