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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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bewegte sich. Der junge Ritter zuckte zusammen. So, als stünde er plötzlich unter einem Zauberbann, war es ihm unmöglich, nicht hinüberzusehen. Der Krieger hatte einen hellblonden Vollbart, in dem jetzt Schnee klebte. Sein Kopf war zur Seite gesunken und lehnte auf der linken Schu l ter. Seine rechte Hand ruhte auf der Brust. Sie war blutve r schmiert.
    Er ist tot, redete Golo sich ein. Das Röcheln, das ist nur noch sein Körper! Der Burgunde hatte so etwas schon gesehen. Let z tes Jahr in Aquitanien. Er dachte an die aufgedunsenen Le i chen, die nach der Schlacht hinter den Ringwällen gelegen ha t ten. So, als furzten die Toten, waren manchmal übelriechende Gase aus ihren Körpern entwichen.
    Der Franke versuchte, den Kopf zu heben. Für einen Auge n blick wurde sein Keuchen stärker. Dann sank sein Haupt kraf t los auf die Schulter zurück. Golo fluchte leise. Warum konnte der Kerl nicht einfach tot sein? Warum dauerte das so lange!
    Vorsichtig rutschte der Ritter ein Stück in Richtung des Ste r benden. Vielleicht konnte er dem Mann ja noch helfen. Auf die Hände gestützt, kroch er langsam durch die Grube. Einmal hielt er inne und wäre fast wieder umgekehrt. Der Weg von nur zwei Schritt schien ihm eine Ewigkeit zu dauern. Als er endlich neben dem Franken anlangte, schlug dieser die Augen auf. Er mußte ihn gehört haben. Sein Körper lag still, aber seine A u gen … Sie schrien! All sein Leben schien in ihnen versammelt zu sein, und in ihnen spiegelte sich ein unfaßbares Grauen, so, als sähe er dem Sensenmann ins Angesicht. Und Golo begriff! Er war für den wehrlosen Franken der Tod!
    Der junge Ritter wollte die Hände vor sein Gesicht schlagen, doch seine Glieder waren wie gelähmt. »Nein«, stammelte er leise. »Nein.«
    Er war durch den Blick des Sterbenden gefangen. Nur für w e nige Atemzüge oder für eine Ewigkeit? Der Bann zerbrach, als der Krieger seine Hand auf der Brust bewegte. Sie sank um w e nige Zoll tiefer. Golo beugte sich vor. Er hob die Hände, um dem Franken zu zeigen, daß er jetzt unbewaffnet war. Sofort kehrte das Entsetzen in den Blick des Fremden zurück.
    »Ich will dir nichts zuleide tun, Kamerad.« Der junge Ritter erschrak vor seiner eigenen Stimme. Sie klang rauh und dunkel. »Hörst du?« Er packte den Franken unter den Achseln und richtete ihn auf, so daß er nun etwas bequemer gegen die Wand der Fallgrube lehnte. Der Kiefer des Kriegers war herunterg e klappt. Er hatte schlechte Zähne. Sein Atem stank.
    »Hast du Durst? Bestimmt hast du Durst!« Golo griff in den Schnee und formte zwischen den Fingern eine kleine Kugel. Die schob er in den Mund des Franken.
    »Tut mir leid. Ich habe keine Wasserflasche bei mir. Das muß helfen … « Auch er schob sich nun eine Schneekugel in den Mund und lutschte daran. Die Kälte schmerzte an den Zähnen. Doch es tat gut, etwas die Kehle hinunterrinnen zu spüren.
    Der Franke hatte Mühe zu schlucken. Seine Hand war jetzt ganz von der Brust gerutscht, so daß Golo die beiden blutigen Löcher im Wams sehen konnte. Der Burgunde wünschte, er könnte etwas tun. Doch selbst wenn er ihn behandeln könnte, müßte er dazu die Kleider aufschneiden, und was nutzte es, wenn man die Blutung stillte und der Mann dafür erfror. Schon jetzt waren die Lippen des Kriegers ganz blau. In kleinen fahlen Wölkchen stand ihm der Atem über dem Mund. Golo hatte den Eindruck, daß sie mit jedem Atemzug unscheinbarer wurden.
    Auch ihm selbst machte die Kälte zu schaffen. Längst war sie durch seine Stiefel gekrochen. Die Füße fühlten sich an wie Ei s klumpen. Wieder sah er zum Franken herüber. War es die Kä l te, die ihn tötete, oder die beiden Dolchstiche? Und was war, wenn die Männer Ricchars noch einmal angriffen und ihn hier zusammen mit ihrem sterbenden Kameraden fanden. Es wäre besser, wenn sie sahen, daß er alles nur Mögliche getan hatte, um das Leben des Mannes zu retten.
    Der Tote! Er brauchte keine Kleider mehr. Golo kroch zu dem Leichnam. Der Mann war völlig steif. Das Blut, daß an den Holzpflöcken hinabgelaufen war, war gefroren. Vergeblich mühte der Ritter sich ab, ihm die Pelzweste auszuziehen. Er müßte sie in Stücke schneiden, um sie herunterzubekommen. Schließlich gab Golo auf. Er drückte dem Toten die Augen zu. »Verzeih mir, wenn ich dich bestehle. Es ist nicht für mich.« Mit einem Schnitt durchtrennte er den Kinnriemen der Wolfsfel l mütze des Kriegers und zog sie im ab. Dann kroch er wieder zu dem Franken

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