Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Rest wißt ihr. Ich habe mich nur gewehrt. Ihr habt die Wunde in meiner Brust gesehen. Sie wollte mich umbringen! Woher sollte ich wissen, daß sie das Flittchen von deinem Freund Golo war. Hörst du, Ritter? Ich habe nichts getan! Sie ist zu mir gekommen!«
Die Beteuerungen des Ebers ließen Volker kalt. Er glaubte dem Gesetzlosen kein Wort. »Ich kenne das Mädchen … Ich bin etliche Tage mit ihr durch die Berge geritten. Sie war nicht so, wie du sie beschrieben hast. Lügner! Weißt du, daß deine Mä n ner sie vergewaltigt haben? Und du hast den Befehl dazu geg e ben und zugesehen … Sie war keine Hure!«
»Das stimmt nicht … Ich erinnere mich an nichts.« Der Eber wirkte plötzlich hilflos. Er trat ein Stück zurück. Seine Stimme klang gehetzt. »Ich habe nicht gelogen.«
Volker ließ ihn nicht aus den Augen. Er rechnete jeden M o ment damit, daß der Gesetzlose sein Schwert ziehen würde, um auf sie loszugehen. Wenn Belliesa ihn nicht davon überzeugt hätte, daß sie den Eber noch brauchten, dann hätte er bei di e sem Possenspiel niemals mitgemacht. Bis heute morgen war er davon überzeugt gewesen, daß der Eber einen neuen Weg g e hen wollte … Doch er hatte sich in dem Gesetzlosen getäuscht!
»Ich glaube ihm!« Belliesa stellte sich Volker in den Weg. »Wie gut kanntest du Mechthild denn schon! Sie war woche n lang als Waffenknecht verkleidet unter uns, und du hast es nicht bemerkt. Ich weiß, daß sie sich jede Nacht, bevor sie ei n schlief, geschworen hat, am Eber Rache zu nehmen. Sie wollte ihn tot sehen … Deinen Freund hat sie als Werkzeug für diese Rache benutzt. Was denkst du, warum sie schwertkämpfen wollte? Weil sie davon träumte, den Mörder ihres Vaters zu töten! Deshalb war sie mit Golo so vertraut! Sie brauchte ihn. Meinst du, daß es Zufall war, daß sie sofort nach ihrer ersten Liebesnacht zum Turm des Ebers gelaufen ist? Es scheint, als sei dein Freund auch in diesen Dingen ihr Lehrer gewesen.«
»Das glaube ich nicht!« Volker starrte fassungslos zu Golo hinüber.
»Ich denke, er hat es nicht gewußt. Er war davon überzeugt, daß sie ihn liebt. Vielleicht hat sie das auch getan … Auf ihre Art.«
Der Spielmann war überrascht vom Zynismus der Bardin, doch ihre Rede verfehlte die beabsichtigte Wirkung nicht.
»Ja!« ereiferte sich der Gesetzlose. »Ja, genau so war es! Die Kleine war verrückt! Friede ihrer Asche.«
Belliesa bedachte den Eber mit einem kühlen Blick. »Außer uns weiß noch niemand, was mit Mechthild geschehen ist. Ihr Tod wird deinen Namen nicht beschmutzen. Aber was nutzt das, wenn wir schon morgen alle hier auf diesem Berg sterben werden. Den nächsten Angriff Ricchars können wir nicht mehr abschlagen. Unsere Kämpfer waren tapfer, doch der Anblick der erdrückenden Übermacht hat ihre Moral gebrochen.« Die Stimme der Bardin wurde immer eindringlicher. »Wenn es e i nen Weg gibt, unbemerkt dieses Dorf zu verlassen, dann sage es uns! Was ist mit den Minen?«
Der Eber schüttelte den Kopf. »Ich war nur einmal dort. Es gibt viele Gänge, und ich bin nicht allen gefolgt, doch sie sche i nen ausnahmslos bei der Steilwand zu enden.«
»Und der Zugang?«
»Den habe ich gut getarnt, weil … « Der Gesetzlose zögerte e i nen Atemzug lang. » … weil dort mein Schatz verborgen liegt. Das Gold, das ich in all den Jahren angehäuft habe. Aber was wird es mir jetzt noch nutzen?«
»Was glaubst du, was geschehen wird?« fragte die Bardin. Volker erschien sie wie eine Wölfin auf der Jagd, die ihre argl o se Beute auf einen Abgrund zutrieb. Einen Ort, von dem der Tod der einzige Ausweg war. Der Eber runzelte die Brauen. Ob er ihr Spiel wohl durchschaute?
»Wenn wir es schaffen sollten zu entkommen, wird Ricchar uns weiter folgen. Er wird nicht ruhen, bis er jeden von uns g e stellt hat. Es sei denn, wir fliehen weit, weit fort.«
»Richtig!« Belliesa lächelte. »Was mich betrifft, ich werde nicht gehen. Ich werde erneut versuchen, den Aufstand gegen den Ketzerfürsten zu entfachen. Volker kann zurück an den Hof seines Königs. Er ist ein Adeliger und Ritter. Ihm stehen viele Wege frei. Doch was ist mit dir? Entweder du bleibst an meiner Seite, dann wird Ricchar uns wohl eines Tages stellen, oder aber du fliehst in die Fremde. Dann fängst du noch einmal von vorne an. Du wirst allein sein, und wie du schon richtig erkannt hast, wirst du dein Gold nicht auf der Flucht mitne h men können. Doch du bist kein junger Mann mehr … «
Der Eber schüttelte
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