Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
resignierend den Kopf. »Es wird keinen Aufstand mehr geben. Der Ketzerfürst hat gesiegt! Diejenigen, die sein Strafgericht überleben, werden sich unter seine Her r schaft beugen. Es macht keinen Sinn, noch einmal gegen ihn aufbegehren zu wollen. Unsere Zeit ist vorbei, Bardin.«
»Vielleicht«, Belliesa zuckte mit den Schultern. »Wenn dem so ist, dann ist das letzte, was jetzt noch Bedeutung hat, wie man nach dem Tod von uns sprechen wird. Nur diese Entscheidung liegt noch allein bei uns.«
»Worauf willst du hinaus?« Der Eber musterte sie lauernd, ganz so, als ahne er plötzlich, daß er ihr in die Falle getappt war.
»Zeig uns die Mine! Wenn sie so beschaffen ist, wie ich hoffe, gibt es vielleicht eine Möglichkeit, die letzten deiner Männer zu retten. Und je nachdem, wie du dich entscheidest, wirst du e t was bekommen, was man für Gold nicht kaufen kann. Du kannst dein vorheriges Leben mit einer einzigen Tat auslöschen und dafür Sorgen, daß man noch in hundert Jahren deinen Namen mit Ehrfurcht nennen wird. Nimm dir die Nacht über Zeit, dir wohl zu überlegen, was du tun willst. Wenn du es schaffst, den Eingang des Turmes für eine Stunde allein gegen die Soldaten Ricchars zu verteidigen, dann werde ich vielleicht alle anderen retten können.«
Der Eber zog eine spöttische Grimasse, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Belliesa fort. »Schweig und denke über mein Angebot nach. Du weißt, daß es sinnlos, ist mit dem Grafen zu verhandeln. Wir sind nicht mehr in der Position, irgendwelche Forderungen zu stellen. Er ist sich völlig sicher, daß nichts auf Erden seinen Sieg noch verhindern kann. Selbst wenn du jetzt darüber nachdenken solltest, uns an Ricchar zu verraten, sei dir gewiß, du würdest keinen Gewinn daraus ziehen. Du hast zu lange an unserer Seite gefochten. Er wird auch deinen Kopf auf einer Lanzenspitze sehen wollen. Uns allen bleibt nur noch die Wahl, zu entscheiden, auf welche Weise wir sterben wollen. Bedenke dies gut, und bring uns jetzt zum Eingang der Mine!«
21. KAPITEL
üde hockte Volker neben Belliesa und sah der Bardin bei den Vorbereitungen zu, die sie traf. Die ganze Nacht über hatten sie die Menschen aus dem Dorf in die Stollen des Bergwerks u n ter dem Turm getragen. Auch alle Verwund e ten waren aus der Festhalle dort hinunter gebracht worden. Es war elend feucht und kalt in den Gängen, aber sie durften kein Feuer machen. Der Rauch wäre durch die Höhlen in der Stei l klippe ins Freie getreten und hätte Ricchars Männern den Weg zu ihnen gewiesen. Der Eingang zu den Stollen lag im unter s ten Geschoß des Turmes und war sorgsam unter morschen Brettern verborgen. Wenn man nicht gezielt nach ihm suchte, dann mochte man höchstens zufällig auf ihn stoßen. Dennoch war Volker ske p tisch, ob die Franken auf die List, die Belliesa ersonnen hatte, hereinfallen würden. Er blickte zum Eber, der breitbeinig im niedrigen Tor zum Turm stand. Ricchars Männer würden es schwer haben, an ihm vorbeizukommen. Die Tre p pe, die an der Außenwand des Turms zum einzigen Eingang führte, war so schmal, daß die Angreifer einzeln, hintereina n der hinaufsteigen mußten. Das Tor aber war so niedrig, daß man sich ducken mußte, wenn man eintrat. Gleichzeitig mußte der Besucher über eine hohe Schwelle hinwegsteigen, so daß jeder Eindringling in eine Körperhaltung gezwungen wurde, in der man sich nur noch sehr schlecht verteidigen konnte. Durch Bogenschützen oder Speerwerfer wäre dem Eber fast nicht be i zukommen, denn sein Körper wurde so gut wie gänzlich von seinem großen Rundschild verdeckt, wenn er am Eingang stand. Trotzdem wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die Fra n ken in den Turm eindrangen. Irgendwann würden die Kräfte des Verteidigers erlahmen. Der Eber wußte das. Ihm war klar, daß er sich auf den sicheren Tod eingelassen hatte. Volker hatte allerdings auch den Eindruck, daß der Gesetzlose sich darauf freute, noch ein oder zwei Dutzend Franken und Sachsen zur Hölle zu schicken, bevor er starb.
Der Spielmann musterte den großen runden Raum, der das ganze erste Geschoß des Turms einnahm. Sie hatte alle Möbel herausgeworfen und den Boden gefegt. Nur eine gefesselte schwarze Ziege und der Leichnam Mechthilds befanden sich außer ihnen noch im Turmzimmer. Links von Volker klaffte das Loch, in dem eine Leiter zum Erdgeschoß führte. Von dort g e langte man über eine Treppe in den Keller, wo sich der verbo r gene Eingang zur Mine befand. Wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher