Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Rücken zum weißen Turm fliegen, um dort deine Geliebte, die Morrigan, zu finden!«
»Nein! Du verstehst es nicht.« Volker schüttelte den Kopf. »Der Flug auf dem Feuervogel, das ist nur eine Metapher … ein Gleichnis. Schließlich bin ich auch nicht drei Jahre und drei T a ge durch die Berge geritten. Ich muß den weißen Turm b e zwingen. Wenn ich meinen Weg nicht ohne die Hilfe des Fe u ervogels gehen kann, dann werde ich, wie der Ritter im Mä r chen, sterben. Um die Morrigan finden zu können, muß ich z u nächst in den Turm, um Belliesa die Frage zu stellen, wo ich den Feuervogel finden werde. Dann wird sie sich offenbaren und mir sagen, wo meine Geliebte ist.« Volker schluckte. »Ob sie überhaupt noch lebt … «
»Die Bardin hat versucht, mich zu ermorden. Sie wollte mich vergiften! Ich werde nichts tun, um ihr zu helfen. Wenn sie wirklich der Feuervogel wäre, dann bräuchte sie unsere Hilfe auch nicht!«
Der Spielmann schüttelte ungeduldig den Kopf. »Sie wollte dich nicht vergiften! Hätte sie dich töten wollen, dann wärest du jetzt nicht hier. Ich wußte, was sie vorhatte. Es war der ei n zige Weg, dich daran zu hindern, ein Duell mit dem Eber au s zutragen. Wir brauchten ihn, damit sich das Schicksal erfüllen konnte … « Volkers Stimme klang gehetzt. »Ich will auch nicht in ihren Kerker, um sie zu befreien. Man kann sie sicher nicht wirklich gefangensetzen. Nur sie kann mir sagen, wo ich die Morrigan finde … Deshalb … «
Golo blickte seinen Freund jetzt voller Mitleid an. Es war sin n los, auf ihn einreden zu wollen. »Ich werde dich bis zu den Wällen der Stadt bringen. In den Turm mußt du alleine. Ich bin nicht bereit, mein Leben für Belliesa zu geben. Sie ist eine Za u berin! An ihren Händen klebt das Blut Hunderter Unschuld i ger! Sie hat es verdient, wenn Ricchar sie richten läßt!«
Volkers Hände brannten, als er sich über die Brüstung zog. Das rauhe Seil hatte die dünne Haut über den frisch verheilten Wunden wieder aufgeschürft. Vorsichtig duckte der Spielmann sich hinter die Zinnen des Turms. Die Mauerabschnitte zu be i den Seiten des Schuldturms schienen völlig verwaist. Offenbar hatten die Wachen dort gerade erst ihre Runden gedreht. Dicht neben Volker stand ein erloschener Feuerkorb auf der Plat t form. Erleichtert atmete er auf. Niemand hatte ihn beobachtet. Die Falltür, die hinab zu den Wachquartieren und Kerkern führte, war halb vom Schnee zugeweht.
Bis hierher war, Golos Unkenrufen zum Trotz, alles gutg e gangen. Der Spielmann richtete sich auf und blickte von den Zinnen herab. Undeutlich konnte er den dunklen Schatten se i nes Freundes im Schneetreiben verschwinden sehen. Er hatte sich tatsächlich nicht mehr anders entschieden. Golo ließ ihn allein!
Der Spielmann schluckte. Insgeheim hatte er gehofft, sein Kamerad würde ihm doch noch folgen. Aber jetzt war keine Zeit für Sentimentalitäten! Er würde die Sache auch allein durchfechten können. Golo war jetzt ganz im Schneetreiben verschwunden. Volker griff nach dem Seil und zog es hoch. Falls doch noch Wachen auf die Plattform kamen, durften sie keine Spuren für sein Eindringen finden. Unentschlossen sah er sich um. Wenn er das schwere Tau mit sich schleppte würde es ihn nur langsamer machen. Sein Blick fiel auf den Feuerkorb. Das war ein guter Platz! Er rollte das Seil auf und versteckte es unter der schwarzen Holzkohle. Dort würde niemand suchen!
Eine feine Schicht aus Eis hatte sich in die Ritzen der Falltür gesetzt. Offenbar war seit Stunden kein Wachposten mehr auf dem Turm gewesen.
Es dauerte eine Weile, bis er das Eis mit dem Dolch beiseite gekratzt hatte und er die schwere Bohlentür öffnen konnte. Langsam, das Schwert in der Rechten, schlich er die Treppe hinunter. Die größte Kerkerzelle des Turms befand sich im obersten Geschoß. Wenn Ricchar so ritterlich war, wie Volker hoffte, dann müßte Belliesa hier untergebracht sein oder aber im Palast des Statthalters.
Am Absatz der Treppe verharrte der Spielmann und lauschte. Irgendwo weiter unten konnte man das Klappern von Würfeln hören. Offenbar rechneten die Wachen nicht damit, daß es e i nen Befreiungsversuch geben könnte. Der Burgunde lächelte. Es hatte durchaus sein Gutes, wenn man allgemein für tot g e halten wurde. Rechts von ihm lag die Tür zu der Kerkerzelle, die das ganze Obergeschoß des Turms einnahm. Ein eiserner Riegel verschloß die Pforte aus dicken Eichenbohlen. Er war gut geölt und ließ sich leicht
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