Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
standen etliche Tonkrüge, die vielleicht einmal mit Wasser und Met gefüllt gewesen waren. Doch jetzt war in ihnen nur noch Staub. In zwei Gefäßen fanden sich die verrott e ten Reste von Weizen und Dinkel. Alle Krüge hatte man mit flachen Schalen abgedeckt, deren Wände mit geritzten Spira l mustern oder schlanken Hirschen und Jägern verziert waren.
Auf dem Boden der Höhle lagen ein paar rostige Werkzeuge. Dazwischen Scherben von zerbrochenen Tongefäßen und Ö l lampen. In einer Ecke hatte Volker einen ganzen Haufen Ki e fernzapfen gefunden, die offenbar einmal in eine klebrige Su b stanz getränkt gewesen waren. Daneben waren Fackeln auf dem Boden verstreut. Dem Spielmann blieb viel Zeit, um sich in der Höhle umzusehen. Golo schlief wie ein Toter.
Allmählich begann ihn Hunger zu plagen. Es waren viele Stunden vergangen, seit er das letzte Mal gegessen hatte. Auch wurde er langsam immer müder, doch getraute er sich nicht, sich an diesem Ort schlafen zu legen. Der Spielmann hatte das unbestimmte Gefühl, daß es kein Zufall war, daß sie beide an diesen Ort gelangt waren. Würde es sich nicht verrückt anh ö ren, dann würde er sogar sagen, die Höhle hatte auf sie gewa r tet. Vielleicht war sie vor vielen Jahren darauf vorbereitet wo r den, anderen Verfolgten Zuflucht zu gewähren. Doch diese a n deren schienen niemals hierhergekommen zu sein.
Volker nahm eine der alten Fackeln und zündete sie am Feuer an. In eine der Wände fand er das Bildnis eines Reiters g e schnitzt. Ein Ritter aus alter Zeit. Sein Pferd war prächtig g e schmückt. Der Krieger schien ein Kettenhemd zu tragen. Auf seinem Kopf thronte ein eigenartiger Helm. Er war wie eine Halbkugel geformt und von einem Adler gekrönt. Ein Adler … Er wünschte, er hätte einen riesigen Adler, der ihn so wie der Feuervogel in dem Märchen zu seiner Geliebten nach Aquitan i en tragen könnte. Volker seufzte und lächelte dann. Das mußte der Hunger sein … Was für unsinnige Träumereien. Es gab ke i ne riesigen Adler und … Nein! Er hatte die flammend roten F e dern gesehen. Den Feuervogel gab es wirklich! Er existierte!
Er trat ein Stück zur Seite, hielt die Fackel höher und suchte nach weiteren Felszeichnungen. Sein Fuß stieß dabei an eine Unebenheit. Scherben? Er leuchtete zum Boden. Eine Kante ra g te ein Stück über den Boden. Sie war seltsam regelmäßig g e formt, ganz so, als sei sie von Menschenhand geschaffen. Ne u gierig kniete er sich nieder. Mit der Linken wischte er Staub und Schmutz beiseite. Dort hatte man einen Stein in den Hö h lenboden eingesetzt. Er war eine Elle breit und nicht ganz so lang. Die Fugen waren mit Erdreich gefüllt. Ein Versteck?
Volker stand auf und holte eines der rostigen Werkzeuge. E i ne Hacke, die an einem Ende eine breite, flache Spitze hatte. Er klemmte sie in die Fuge und hebelte den Stein aus seiner Ve r ankerung. Darunter war ein tiefes Loch. Man hatte etwas Län g liches, in Stoff Eingeschlagenes darin versteckt. Vorsichtig zog der Spielmann seinen Fund hervor. Der Stoff war mit Öl durc h tränkt. Seine ursprünglichen Farben waren fast völlig verbl i chen. Er schien einmal ein rotgrünes Karomuster gehabt zu h a ben. Mit spitzen Fingern zog er das vor Schmutz starrende Tuch auseinander. Es war ein prächtiges Schwert darin eing e schlagen. Die Klinge war von dicken Ölschlieren überzogen und hatte kaum Rost angesetzt. Den Griff hatte man aus Kn o chen gearbeitet und mit dunkel angelaufenen Silberringen g e schmückt. Er besaß auch einen breiten silbernen Knauf, in den rote Glasperlen eingelassen waren. Merkwürdigerweise hatte das Schwert keine Parierstange. Die Klinge mündete in einer silbernen Fassung, die kaum breiter als das Schwert selbst war. Die Waffe mußte sehr alt sein.
Ehrfürchtig hob Volker sie auf und wog sie prüfend in der Hand. Es war eine gute Arbeit! Er blickte zu dem Wandbild, das den Reiter zeigte. Ob ihm einst dieses Schwert gehört hatte? Für wen war es an diesem Ort verborgen worden?
Golo hatte seine Waffe verloren, als sie in den Brunnenschacht gestürzt waren. Er würde ihm die Klinge schenken. War der Fund am Ende ein Omen? Sollten sie noch einmal in den Kampf gegen Ricchar ziehen?
Der Spielmann legte zwei Scheite in das Feuer und wendete ihre nassen Kleider, die er ringsherum auf dem Höhlenboden ausgebreitet hatte. Etwas hatte sich verändert, seit er das Schwert gefunden hatte. Die Spannung war gewichen. Plötzlich fühlte er sich unendlich
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