Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
zurückschieben. Noch einmal lauschte Volker auf die würfelnden Wachsoldaten weiter unten im Turm. Sie lachten und schienen nichts bemerkt zu haben.
Entschlossen stieß er die Tür auf und trat in den Kerker. Der Raum war mit ausgesuchten Möbeln eingerichtet. Felle und Wandvorhänge bedeckten die kalten Mauern. Auf einem Tisch dicht neben der Tür lag Belliesas Laute mit den kostbaren E l fenbeinintarsien. Die Bardin hatte sich in ihren schwarzen U m hang gehüllt und saß auf einem Stuhl, so daß sie Volker den Rücken zuwandte. Sie rieb ihre Hände über einer Feuerschale. Das rote Licht brach sich in einem goldenen Ring an ihrer li n ken Hand. Dem Spielmann war das Schmuckstück noch nie zuvor aufgefallen.
»Du kommst früher, als ich erwartet hätte. Für gewöhnlich e r scheint der edle Ritter doch erst in der Nacht vor der Hinric h tung, um seine Geliebte zu befreien … «
Volker stockte der Atem. Das war nicht Belliesa! Es war … Die Gestalt erhob sich und streifte den Mantel zurück. Ricchar! Wie bei ihrem ersten Treffen war der Fürst mit einem bestickten Leinenpanzer gewappnet. Doch diesmal trug er dazu wollene Hosen.
Der Franke lächelte breit. »Deine Ritterlichkeit macht dich sehr berechenbar, Volker. Ich konnte einfach nicht glauben, daß du bei der Erstürmung der Stollen ums Leben gekommen bist. Das ist kein Tod für einen Helden. Nicht wahr?«
Volker umklammerte sein Schwert fester und sah sich nach einem Fluchtweg um. Offenbar war der Frankenfürst allein in der Kammer.
»Willst du es dir nicht doch noch überlegen, mein Freund? Wenn du zum Mithrasglauben übertrittst, kann ich dich noch begnadigen. Du hast zu lange und zu erfolgreich gegen mich gekämpft, als daß ich dich jetzt einfach laufen lassen könnte. Kommst du mir nicht wenigstens ein Stück entgegen, dann muß ich auch dich morgen hinrichten lassen. Ich will dich nicht demütigen … Ich selbst würde dir die Weihe geben, und außer uns beiden wäre niemand zugegen. Es geht mir allein um die Geste.«
Der Spielmann schüttelte langsam den Kopf. »Ich hoffe, du hältst mich nicht für unhöflich, aber ich habe dem einzig wa h ren Gott die Treue geschworen, und ich wüßte nicht, warum ich einen Stierschlächter anbeten sollte.«
Für einen Herzschlag lang erstarrte das Gesicht des Krieg s herren zu einer kalten Maske. »Du bist grausam, Spielmann. Du weißt, wieviel mir die Kunst bedeutet und wie sehr ich dich schätze. Warum zwingst du mich, dich morgen gemeinsam mit Belliesa auf den Scheiterhaufen zu stellen?«
»Laß die Bardin frei, und ich verspreche dir, wir beide werden nie wieder einen Fuß auf dein Land setzen, Ricchar.«
»Das kann ich nicht. Es ist zu viel Blut geflossen, und man e r zählt sich zu viele Geschichten über euch. Sogar diesen Halsa b schneider, den Eber, feiert man jetzt als einen Helden. Mein Volk muß sehen, daß ihr entweder tot seid oder aber euch u n terworfen habt. Sonst wird es niemals Frieden geben. Der Kopf des Ebers steckt auf einem Pfahl über dem Tor der Stadt. Belli e sa wird morgen vor den Augen aller verbrannt werden. Wenn du dich nicht beugst, wirst du an ihrer Seite stehen. Und was Golo angeht … Man sagt, er sei dein Knappe gewesen. Ich bin sicher, er wird morgen in der Stadt sein. Selbst wenn er nicht versuchen sollte, dich zu retten, wird er dir eine letzte Ehre e r weisen wollen, indem er bei deiner Hinrichtung zugegen ist. An jedem der Stadttore steht ein Offizier, der bei unseren Fe s ten in Castra Bonna zugegen war und weiß, wie dein Kamerad aussieht. Sie werden ihn hineinlassen, doch wenn er wieder gehen will, werde ich auch ihn haben … Er ist der letzte Kopf des Widerstands. Sein Haupt wird neben dem des Ebers aufg e pflanzt werden.«
Ricchar hatte recht! Volker wußte es. Golo würde morgen zu der Hinrichtung kommen. Der einzige Weg, dies vielleicht noch zu verhindern, war, jetzt in dieser Stunde zu sterben. Der Spielmann hob seine Waffe.
Ricchar seufzte leise. Er drehte sich um und griff nach dem Schwert, das noch immer halb unter den Falten des schwarzen Umhangs verborgen an seinem Stuhl lehnte. »Natürlich wirst du dich nicht einfach ergeben … «
»Gäbe es dafür einen Grund?«
Der Frankenfürst zog sein goldverziertes Reiterschwert. »Le i der habe ich dich noch nicht selber fechten gesehen, Spielmann. Man sagte mir allerdings, wenn du ohne Schild kämpfst, habe deine Verteidigung einige Lücken. Darf ich sie dir zeigen?«
Volker reckte trotzig sein Kinn
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