Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
die Stimme der Bardin. Eine Flammenwand umschloß die weiße Gestalt auf dem Scheiterhaufen. Böse knisterte das Feuer, vom Sturmwind angefacht, der in eisigen Böen über den Platz fegte und wie mit kalten knöchernen Fingern nach den Kleidern griff. Dumpf klang der Husten hinter den Flammen, der Belliesa die Macht ihrer kristallenen Stimme geraubt hatte. Volker rannen Tränen über die Wangen.
Ein gellender Schrei klang über dem Schweigen. Fauchend fuhr der Sturmwind in den Scheiterhaufen, und eine lange Flammenzunge griff nach den beiden Reitern in der Mitte des Platzes. Wiehernd stiegen ihre Hengste. Ricchar stürzte. Funken hatten die breiten Stoffstreifen der Drachenstandarte in Brand gesetzt. In Panik peitschten die Pferde die Luft mit ihren Schweifen, in denen heiße Aschenflocken schwelten.
Volker hielt den Atem an. Die Flamme hatte die Gestalt eines Vogels gehabt. Der Scheiterhaufen war sein loderndes Nest. Doch der nächste Windstoß trieb ihn wieder zum Himmel. Glühende Funken regneten auf den Platz. Der Wind fegte den Schnee von den Dächern, zerrte an den Strohgiebeln und hö l zernen Schindeln. Ricchars schwarzer Hengst stieg, und seine Hufe trommelten auf den gestürzten Reiter, der wehrlos am Boden lag.
Schreiend und kreischend stoben die Menschen auseinander, so wie Blätter, die der Herbstwind vor sich her treibt. Aus e i nem der Häuserdächer schlugen Flammen, als ein unheimliches Donnern den Boden erbeben ließ.
Von irgendwoher ertönte ein schriller Schrei. »Die Stiere!« Wie eine Flut aus Fleisch ergossen sie sich auf den Marktplatz. Volker sah, wie Ricchar versuchte, sich auf sein Schwert g e stützt aufzurichten. Eines seiner Beine war blutverschmiert und widernatürlich verdreht. Als die Mauer gesenkter Hörner ihm entgegenbrandete, streckte er den rechten Arm aus, als wolle er den Stieren befehlen stehenzubleiben. Das war das letzte, was Volker von Ricchar sah.
Der Feuervogel aber erhob sich vom Scheiterhaufen und sprang von Dach zu Dach, jeweils ein Nest aus Glut zurückla s send, das der Sturmwind zu neuen Bränden entfachte. Plötzlich vernahm der Spielmann inmitten des Chaos die helle Stimme der Bardin.
»Vergiß mich nicht, mein Ritter. Was in den Flammen verging, wird in das Fleisch wiedergeboren werden. Auch für dich ist die Zeit nun gekommen … «
Verzweifelt sah sich Volker nach einem Ausweg um. Das G e rüst, auf dem er stand, erbebte unter den Stößen der Stierhö r ner. Glut fiel aus dem schwarzem Himmel, und die Luft war so heiß geworden, daß jeder Atemzug zur Qual wurde. Hu m pelnd versuchte er, die schmale Leiter zu erreichen, die vom Gerüst hinabführte. Doch wie sollte er so geschwächt, wie er war, den Stieren entkommen. Überall gellten die Schreie Ste r bender, und die Flammen fauchten, als schlügen sie direkt aus den Abgründen der Hölle empor. Der Tag der Apokalypse, von dem die heilige Schrift kündete, konnte nicht schlimmer sein.
Ein schwerer Stoß ließ das Gerüst erzittern. Dann neigte es sich zur Seite. Verzweifelt versuchte Volker, sein Gleichgewicht zu halten, doch seine Krücke rutschte weg. Er schlug hin und schlitterte den stampfenden Hufen der Stiere entgegen. Seine letzten Gedanken galten dem Märchen vom Feuervogel. Der Ritter, der den weißen Turm bezwungen hatte, mußte dafür mit seinem Leben bezahlen. Und was hatte Belliesa ihm zum A b schied zugeraunt? Auch für dich ist die Zeit nun gekommen …
24. KAPITEL
nd was geschah dann?« fragte der König mit leiser Stimme. Im Gegensatz zu Hagen, der hinter seinem Thron stand, vermochte Gunther seine Gefühle nicht zu verbergen. Doch vielleicht hatte der Tronjer ja auch gar keine Gefühle, die er niederringen mu ß te. Mit unbewegtem Gesicht hatte er Golos Bericht gelauscht. Die drei waren allein im kalten Festsaal der Wormser König s burg, denn der König hatte entschieden, daß niemand außer ihnen um jene Dinge wissen sollte, die in den Bergen jenseits von Treveris geschehen waren.
»Ricchar hatte seine sächsischen Söldner noch nicht ausg e zahlt, und als sie vom Tod des Kriegsherren hörten, fürchteten sie, daß sie kein Gold mehr sehen würden. Sie stürmten die brennende Stadt und mordeten jene, die den Flammen entga n gen waren. Drei Tage und drei Nächte dauerten das Feuer und das Töten. Die Felder rings um Icorigium lagen so dicht voller Leichen, daß man kaum zwei Schritt gehen konnte, ohne auf einen Toten zu treten. Am vierten Tage, als die Flammen verl o schen,
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