Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
mächtigen Pfoten des Untiers auf der Brust. Die Welt schien nur noch aus langen, weißen Reißzähnen zu bestehen, von denen Geifer tropfte. Die tödlichen Fänge senkten sich hinab zu seiner Kehle. Golo schloß die Augen. Es war vorbei. Mochte die Jungfrau Maria ihm gnädig sein!
Etwas Schweres fiel auf seine Brust. Golo hielt noch immer die Augen geschlossen. In sein Schicksal ergeben, wartete er d a rauf, den heißen Atem der Bestie auf seiner Kehle zu spüren.
»Schickt diese fränkischen Bastarde alle zu ihrem Stiergott!« tönte eine dunkle Stimme über die Lichtung.
Blinzelnd schlug Golo die Augen auf. Auf seiner Brust lag der Kadaver des Wolfshundes. Ein Pfeilschaft ragte schräg aus dem Hals der Bestie.
»Heilige Mutter Gottes! Ich werde dir hundert Kerzen weihen, wenn ich jemals wieder im Münster zu Worms stehen werde.« Golo blieb noch einen Augenblick liegen und murmelte leise ein Ave Maria, dann rollte er den Hund zur Seite und richtete sich stöhnend auf.
»Schaut euch das an! Der Berserker lebt ja immer noch«, e r klang hinter ihm die fremde Stimme.
Noch halb benommen drehte Golo sich um. Überall auf der Lichtung waren Männer mit langen Bögen zu sehen. Es mußten mindestens ein Dutzend sein. Sie trugen Kleidung aus grober selbstgesponnener Wolle, Lederwämse und Stiefel aus weicher Tierhaut, die vorn mit Lederschnüren zusammengehalten wu r den. Von ihren Schultern hingen Köcher voller Pfeile, und in ihren Gürteln steckten lange Dolche oder Kurzschwerter. Die meisten der Krieger waren groß und hager. Gestählt von einem Leben in der Wildnis. Nur ihr Wortführer, der Mann mit der dunklen Stimme, hob sich auffällig von ihnen ab. Er war klein und gedrungen, sein Gesicht von roten Pockennarben entstellt.
Neben dem Narbengesicht kniete ein Krieger über dem Leichnam des Anführers der Franken. Vergebens bemühte sich der Kerl, dem Toten einen dünnen silbernen Ring vom Finger zu ziehen. Ihre Retter waren Leichenfledderer! In was für G e sellschaft waren sie jetzt nur geraten!
Der Plünderer zückte leise fluchend ein Messer und schnitt dem Toten den Finger ab. Golo preßte die Lippen zusammen. Er sollte besser nichts dazu sagen! Immerhin hatten die Männer ihm das Leben gerettet!
»Na, der Berserker ist wohl ein wenig zart besaitet«, höhnte der gedrungene Kerl.
Golo blickte hilfesuchend zu Volker herüber. Der Spielmann lehnte erschöpft gegen die umgestürzten Baumstämme. Zu se i nen Füßen lagen drei tote Franken. Der Burgunde trug immer noch seinen geschlossenen Topfhelm. Golo stutzte. Normale r weise nahm der Ritter den schweren Helm sofort nach dem Kampf ab. Irgend etwas stimmte hier nicht …
»Na, wie heißt du denn, Berserker?« Der gedrungene Boge n schütze war jetzt an die Seite des jungen Ritters getreten. »Se l ten habe ich einen Mann mit solcher Wut kämpfen sehen, wie du es eben getan hast.«
»Golo. Ich bin Ritter im Gefolge des Königs Gunther von Bu r gund.«
Der Narbige runzelte die Stirn. »Golo? Ein Burgunde. Was macht ihr beiden hier, so weit von Treveris entfernt?« Er drehte sich zu Volker um. »Und du da hinten, was ist dein Name!«
»Ich bin ein fahrender Ritter.«
»Das sehe ich selbst. Ich will wissen, wie du heißt! Nimm de i nen Helm ab. Ich mache mir nur selten die Mühe, jemandem das Leben zu retten. Ich will wenigstens wissen, wie du au s siehst. Wenn die Franken sich nicht erdreistet hätten, hier in meinen Bergen Jagd auf euch zu machen, hätte ich keinen Fi n ger gerührt.«
»Ein Gelübde verbietet es mir, den Helm abzunehmen, bis ich in Santiago de Compostella eine Kerze zu Ehren des heiligen Jacob angezündet habe.«
»So ein Unsinn! Du mußt den Helm ja wohl auch abnehmen, wenn du essen oder trinken willst. Du wirst dein Gesicht doch nicht etwa vor deinem Lebensretter verbergen und mich damit beleidigen wollen.«
»Manchmal ist Unwissenheit ein Segen, Eber !«
Golo zuckte zusammen. Er jetzt begriff er, wer dort vor ihnen stand! Ihr Retter war der blutdürstige Räuberhauptmann. Sie waren vom Regen in die Traufe gekommen!
Der Eber lachte schallend. »Wie ich sehe, hast du schon von meinem ruhmreichen Namen gehört. Nun will ich auch wissen, wer du bist. Herunter mit dem Helm, oder ich laß dich niede r schießen wie einen Hasen und schau mir dann dein Gesicht an.«
Volker löste den Kinnriemen und hob dann mit beiden Hä n den den schweren Topfhelm vom Kopf. Einige Herzschläge herrschte beklemmende Stille.
»Du!« Der Eber machte
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