Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
waren zu ihrem niederg e streckten Anführer gelaufen und knieten neben ihm. Keiner der Räuber wagte es, dem Spielmann direkt ins Gesicht zu sehen. Mit einer selbstsicheren Gelassenheit, die man wohl nur erla n gen konnte, wenn man von Kindesbeinen an als Adliger erz o gen wurde, trat der Burgunde auf Golo zu.
Der junge Ritter verneigte sich ehrfürchtig. »Ich muß gest e hen, daß ich oft an Euch gezweifelt habe, Herr Volker, und Euch auch manchmal für keinen guten Christenmenschen g e halten habe. Vergebt mir! Jeder konnte sehen, daß die Hand Gottes selbst Euer Schwert führte und … «
Der Spielmann hob die Hand. »Genug, mein Freund.« Er grinste. »Es wäre mir übrigens lieber, wenn du wieder ganz normal mit mir reden würdest und … «
»Aber Ihr seid ein Heiliger! Kein normaler Sterblicher hätte mit verbundenen Augen … «
»Laßt mich mit meinem Freund allein, oder eure finsteren Seelen werden bis ans Ende aller Zeiten im Fegefeuer schm o ren.«
Volker warf den beiden Strauchdieben, die Golo festhielten, einen Blick zu, der den jungen Ritter an das Mosesbild im Münster zum Worms denken ließ. Nur wer von Gottes Kraft durchdrungen war, konnte solch heiligen Zorn in seinen Augen lodern lassen!
Die beiden Räuber machten sich davon und gesellten sich zu ihren Kumpanen, die sich nun um den niedergestreckten Eber versammelten.
Plötzlich war aller Ernst aus Volkers Gesicht gewichen. Er zog den schmuddeligen Schal von seinem Hals und bohrte den kleinen Finger seiner Rechten durch ein winziges Loch. »So sieht dein Wunder aus, mein Freund, und jetzt hör bitte auf, mich zu behandeln, als stünde ein leibhaftiger Jünger Jesu vor dir!«
Fassungslos starrte der junge Ritter auf das Loch im Schal. Er konnte nicht glauben, daß das, was sich gerade ereignet hatte, kein Wunder gewesen sein sollte. »Das ist kein Zufall. Gott hat es so gefügt. Es war sein Wille, daß du diesen Sünder in die Hölle geschickt hast, und daß er … «
»Weg mit euch stinkenden Hurensöhnen!« tönte die dunkle Stimme des Ebers über die Lichtung. »Sehe ich vielleicht aus wie ein frischgeborenes Rehkitz, das Hilfe braucht, um auf die Beine zu kommen.« Leicht schwankend erhob sich der stämm i ge Krieger und blickte dann mit wutblitzenden Augen in ihre Richtung. »Ich weiß nicht, mit was für einem schändlichen Trick es dir gelungen ist, mich zu besiegen, Ritter, aber ich werde mein Wort halten. Ich schenke dir dein jämmerliches Leben. Ihr beide seid meine Gefangenen und kommt mit in u n ser Lager. Mal sehen, wer mehr für euch zahlt, die Burgunden in Treveris oder aber unser liebenswerter Graf.«
»Das ist gegen die Vereinbarung«, brauste Golo wütend auf.
Der Eber schüttelte unwillig den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern, irgendeinem Handel zugestimmt zu haben.« Dann lächelte er böse. »Liegt vielleicht an dem Schlag vor den Kopf, wenn ich etwas vergessen haben sollte.«
»Du … «
»Wir nehmen gerne deine Gastfreundschaft an«, erklärte Vo l ker laut und fuhr dann leise zu Golo gewandt fort. »Laß es gut sein, mein Freund. Er hat zehn Bogenschützen. Wir können nicht gewinnen. Aber solange sie mit uns beschäftigt sind, we r den sie Belliesa und Mechthild nicht auf die Spur kommen.«
9. KAPITEL
as Lager, von dem der Eber gesprochen hatte, entpuppte sich als ein regelrechtes Wehrdorf. Es lag auf der Kuppe eines la n gen, steil ansteigenden Bergrückens, dessen Rückseite eine fast senkrec h te, merkwürdig zerklüftete Felswand bildete. Hier und dort waren Höhlungen zu sehen, ganz so, als würden auch dort Menschen hausen.
Das Dorf war mit einer drei Schritt hohen hölzernen Palisade umgeben. Den Hang unterhalb der Wehranlage hatte man größtenteils von Büschen und Bäumen gesäubert, so daß die Verteidiger über ein freies Schußfeld verfügten. Nur hier und dort ragten ein paar Felsfinger zwischen dem Gras empor. Ein gewundener Weg führte den Berghang empor. Auf einzelnen Parzellen des Hanges weideten Kühe und scheckige Hau s schweine. Auf anderen hingegen wuchs das Gras fast hüfthoch, so als habe man den ganzen Sommer über kein Vieh dorthin getrieben.
Noch bevor sie die Bergkuppe erreichten, öffnete sich das schmale Tor im Wall, und eine Schar von Frauen und Kindern kam herausgeeilt. Die lockere Marschordnung der Räuber um den Eber löste sich nun vollends auf. Einige Männer eilten den Hang hinauf. Volker sah, wie der Leichenfledderer, der noch am vorigen Tag den Anführer der
Weitere Kostenlose Bücher