Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
vertreiben zu können … Ich wollte dich auf den Weg zurückführen, den du einst in den Sümpfen verloren hast. Doch du bist dein eigener Herr! Ich hoffe, du begreifst, daß du in diesen Tagen am Wegekreuz deines Schicksals ang e langt bist. Du vermagst kaum über die Spitzen deiner Stiefel hinauszusehen … So kannst du dich bei deiner Wahl nur auf dein Herz verlassen. Höre gut auf das, was es dir sagt!«
Der Spielmann schluckte. »Rede nicht so mit mir! Du bist nicht die Pythia aus dem Orakel von Delphi. Also maße dir nicht an, mir meine Zukunft zu prophezeien.«
Die Bardin blickte ihn traurig an. Dann nickte sie. »Du hast recht. Es gibt nichts mehr zu sagen zwischen uns.« Ihr Gesicht war wie versteinert. Sie wandte sich ab und ging den dunklen Gang hinauf.
Stumm starrte ihr Volker nach. Seine Wut war verraucht. Jetzt hatte er das Gefühl, etwas verloren zu haben. Hatte sie recht, wenn sie ihm vorwarf, daß sein Herz in Kälte erstarrt war? Was geschah mit ihm? War er vielleicht wirklich blind dafür, daß er auserwählt war?
12. KAPITEL
in Schlag hatte ihn am Knie getroffen. Golo riß den Stock he r unter, um sich zu verteidigen, und im selben Augenblick traf ihn ein zweiter Streich am rechten Ellenbogen.
Lachend warf er seine Waffe fort und ließ sich rücklings in einen der Heuhafen fallen. »Das war ’ s. Du hast deinem Meister eine Lektion erteilt. Ich fürchte, ich kann dir von heute an nichts mehr beibringen.«
Mechthild kniete sich neben ihm ins Heu. In den letzten drei Wochen hatten sie sehr viel Zeit miteinander verbracht. Belliesa hatte am Abend, nachdem sie in Treveris angekommen waren, die Stadt verlassen. Die Bardin hatte sich von niemandem ve r abschiedet. Nicht einmal von Mechthild. Keiner wußte, wohin sie geritten war, doch Golo war sich sicher, daß sie jetzt wieder in den Bergen war. Drei Tage später war Volker nach Worms aufgebrochen. König Gunther hatte den Spielmann an seinen Hof zitiert.
Sein Freund war sich sicher gewesen, daß er nach Treveris z u rückkehren würde. Deshalb wollte er nicht, daß Golo ihn b e gleitete. Der junge Ritter blickte zu Mechthild und lächelte. Er war Volker dankbar, daß er ihm diese Reise erspart hatte. Die vergangenen Wochen mit Mechthild waren sehr schön gew e sen. Das Mädchen sprach zwar immer noch kaum ein Wort, doch es war auch nicht mehr nötig, miteinander zu reden. Er hatte gelernt, in ihren Blicken zu lesen.
In ihren Augen stand keine Freude darüber, daß sie ihn b e siegt hatte. Sie wußte genau, daß er morgen gehen mußte. Der König hatte Volker befohlen, in die Berge zurückzukehren und den Aufstand gegen Ricchar anzuführen. In der Dämmerung des nächsten Morgens würden sie bei Schwaych die Mosel überqueren … Zwölf Ritter und zwanzig Waffenknechte, die den berühmtesten Kriegsherrn der Franken herausfordern würden.
»Glaubst du vielleicht, ich hätte dich absichtlich gewinnen lassen, weil ich morgen gehen werde?«
Sie nickte.
Golo zog eine Grimasse. »Ich bin enttäuscht, daß du mich so schlecht kennst. Ich bin viel zu ehrgeizig, um freiwillig einen Sieg verschenken zu können und … « Sie sah ihn so traurig an, daß er plötzlich nicht mehr wußte, was er noch sagen sollte. Er hätte niemals gedacht, daß ihm der Abschied so schwerfallen würde. Warum hatte er Volker nicht einfach ziehen lassen? Sein Freund hätte niemals von ihm verlangt, daß er ihn bei diesem aberwitzigen Unternehmen begleitete.
»Weißt du, ich werde dafür sorgen, daß du hier gut unterg e bracht bist. Du wirst es gut haben am Hof Giselhers. Ich bin sicher, ich kann dir einen Platz unter den Küchenmägden ve r schaffen. Eine Küche ist ein ausgezeichneter Ort, um dort den Winter zu verbringen. Du kannst mir glauben, daß ich auch lieber dort wäre als in den kalten Bergen. Im Frühjahr werden wir zurückkehren. Weißt du, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Volker hat immer Glück … An seiner Seite kann mir gar nichts passieren und … «
Mechthild legte ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen, und ihr Blick gebot ihm zu schweigen. Mit der anderen Hand begann sie die Verschnürung ihrer Lederweste zu öffnen.
Golo spürte, wie sein Mund plötzlich trocken wurde. Nervös leckte er sich über die Lippen. Auf einmal wußte er nicht mehr, was er tun sollte. Sie war doch noch ein Mädchen! Sicher hatte er manchmal daran gedacht, daß er in ein oder zwei Jahren … Wenn sie eine Frau war! Sie war anders als die anderen, neben denen er
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