Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Schicksal, das du mir bestimmt hast?« Er lac h te bitter. »Alles was in den letzten Wochen geschehen ist, hast du verdreht, bis es in deine Pläne paßte! Du weißt doch wohl sehr gut, daß keines der Lieder, die du heute abend gesungen hast, wahr ist!«
»Hast du einmal darüber nachgedacht, daß du vielleicht de r jenige bist, der blind für die Wahrheit ist, weil er sie nicht sehen will! Und was ist mit all den Menschen, die ihre ganze Hof f nung in dich setzen? Wirst du sie enttäuschen? Wohin willst du gehen? Sogar dein eigener König erwartet von dir, daß du in die Berge zurückkehrst und den Kampf gegen den Tyrannen Ricchar aufnimmst. Willst du dich gegen den Herren stellen, dem du die Treue geschworen hast? Ist das deine Vorstellung von Ritterlichkeit?«
In hilfloser Wut ballte Volker die Fäuste. »Du … « Wäre sie ein Mann gewesen, er hätte sie jetzt niedergeschlagen. »Du … Was willst du von mir? Was habe ich dir getan? Du bist selbst eine Heidin. Warum befehdest du Ricchar? Was hat dir der Franke getan?«
»Er verachtet die Freiheit! Du hast gesehen, was er seinem Volk angetan hat! Erinnerst du dich nicht mehr an den Priester, der in Icorigium erhängt worden ist?«
»Es gibt viele Herren, die ungerecht sind. Warum er? Er will den Frieden, auch wenn er vielleicht manchmal die falschen Mittel wählt, um zum Ziel zu kommen. Er ist nicht der U n mensch, als den du ihn in deinen Liedern darstellst!«
Die Bardin schüttelte den Kopf. »Wie gut kennst du ihn schon? Auch ich war an seinem Hof. Ich habe ihn beobachtet, bevor ich begonnen habe, ihn zu bekämpfen. Er ist von Ehrgeiz zerfressen, und er hat das Zeug dazu, seine Ziele zu erreichen. Das ist es, was ihn so gefährlich macht. Noch kann er aufgeha l ten werden. Jetzt ist er nur ein Graf in einem Grenzgau des Frankenreiches. Doch was wird sein, wenn er für König Merowech noch ein paar Siege erringt? In Kriegszeiten ist er der Heermeister. Das heißt, er befehligt die ganze Armee des Frankenreiches. Und seine Soldaten vergöttern ihn! Sie sehen in ihm den Günstling des Sol Invictus. Unbesiegbar scheint er. Und wenn wir ihn nicht in diesem Winter aufhalten, dann wird er wirklich unbesiegbar sein. Du weißt, wie krank König Merowech ist. Ricchar will den Thron, und er wird ihn beko m men, denn die Soldaten folgen ihm. Er begeistert sich so sehr an den Römern … Davon hat er dir sicher auch erzählt. Er sieht sich als Soldatenkaiser. Als den, der von Mithras auserwählt ist, das römische Reich aus seinen Ruinen wieder aufzurichten, so, wie er damit begonnen hat, in seinem Gau die zerstörten röm i schen Städte wieder aufzubauen.«
»Und was ist so schlecht daran, wenn ein Mann Visionen hat. Er will letzten Endes Frieden, und er will, daß die Zivilisation der Alten zurückkehrt. Hast du das zerstörte Theater in Castra Bonna gesehen, Belliesa? Dort war Platz für Hunderte, die den Epen der Dichter ihrer Zeit gelauscht haben! Wie kümmerlich sind wir dagegen, die einen Marktplatz oder manchmal auch einen kleinen Fürstenhof als Bühne haben. Ricchar ist ein Dic h ter! Er wird all dies wieder erstehen lassen.«
»Und es wird auf den Ruinen des Burgundenreiches erstehen. Dein König wird sein erstes Opfer sein, wenn Ricchar zum Herrscher der Franken werden sollte. Das ist dir doch wohl klar, Volker!«
Der Spielmann wußte, daß sie recht hatte. Aber es gab ja noch die Bischöfe. Ricchar war auch unter den Franken nicht unu m stritten. Vielleicht würde er niemals Herrscher sein. »Was hat er dir getan, daß du ihn so sehr haßt, Belliesa? Hat er dich zurüc k gewiesen? Dir den Platz an seiner Seite verweigert, nachdem er sich ein paar Nächte lang mit dir amüsierte? Hast du vielleicht geglaubt, ein Fürst, der dichtet, würde eine fahrende Sängerin an seiner Seite dulden?«
Für einen Augenblick erwartete Volker, daß Belliesa ihn oh r feigen würde. Er sah, wie sich ihre Wangenmuskeln spannten. Doch fast sofort hatte die Sängerin sich wieder in der Gewalt. »Nach allem, was ich über dich gehört habe, hätte ich gedacht, daß du die Frauen besser kennst, Spielmann.« Sie blickte ihn an und wirkte unendlich enttäuscht.
Volker biß sich auf die Lippen. Dieser eine Blick wühlte ihn mehr auf als all ihre Worte zuvor.
»Geh deiner Wege, Spielmann! Wenn du glaubst, du könntest deinem Schicksal davonlaufen, dann tu es. Paß gut auf dich auf! Du trägst eine tödliche Kälte in deinem Herzen. Ich hatte g e glaubt, sie von dort
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