Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
mir?«
»Ich bin der Auserwählte und gekommen, um den Schatten zu vertreiben, den der Heidengötze Mithras auf das Land wirft!« Der Burgunde hob den Arm. Das war das vereinbarte Zeichen. Alle seine Krieger waren mit einer Blendlaterne ausg e rüstet. Ein Wand aus Licht erhellte die Finsternis.
Erschrocken fuhr der Offizier zurück. Und dann machte er e i nen Fehler. Er hob sein Schwert, so, als wolle er Volker angre i fen. Doch er kam nicht dazu. Ein halbes Dutzend Pfeile durc h bohrten seine Brust, und er wurde in den Eingang zurückg e schleudert.
Der Spielmann biß die Zähne zusammen. Dieser Trottel! Das wäre nicht nötig gewesen. Mit einem Satz war der Ritter im Eingang des Turms und zog sein Schwert. Die Frankenkrieger in der Wachstube starrten wie versteinert auf ihren toten A n führer.
»Laßt eure Waffen fallen, zum Henker! Sonst wird es euch wie ihm ergehen!«
Die Soldaten zögerten. Sie schauten Volker an, als stünde ein Teufel, der sich aus der Hölle erhoben hatte, vor ihnen. Hinter dem Spielmann stürmten die ersten burgundischen Ritter das Tor des Turms.
Klirrend fiel ein Schwert zu Boden. Dann ein zweites. Die Franken schnallten ihre Wehrgehänge ab.
»Wir ergeben uns deiner Gnade, Erleuchteter!« Ein großer rothaariger Kerl hatte gesprochen. Er mochte dem Spielmann nicht in die Augen sehen.
»Ich werde euch nicht nach den Taten befragen, die ihr im Dienste des Ketzerfürsten begangen habt. Euch allen sei das Leben geschenkt. Wir werden euch entwaffnen, und dann dürft ihr gehen, um dem Statthalter von Beda zu berichten, der Au s erwählte sei zurückgekehrt, um Fürst Ricchar von seinem Thron zu vertreiben!«
Vor ihnen lag Beda, ein großes Kastell, befestigt mit dreizehn mächtigen Rundtürmen. Es wachte über die Straße zwischen Treveris und Colonia. Etwas weniger als zweihundert Schritt lang umschloß eine mächtige ovale Ringmauer den gesamten Ort.
Golo beugte sich im Sattel vor, um die Anlage besser sehen zu können. Es war ein klarer Spätherbsttag. In der letzten Nacht hatte es zum ersten Mal gefroren, und als er am Morgen e r wachte, waren die Bäume mit Rauhreif überzogen gewesen. Es war nicht klug, in dieser Jahreszeit Krieg zu führen. Trotzdem hatte ihre kleine Schar in den letzten Tagen reichlich Zulauf erhalten. Es waren vor allem Bauern und Handwerker aus den Dörfern, die sie befreit hatten. Sogar zwei Mönche, die sich seit der Schließung ihres Klosters in den Bergen versteckten, hatten sich ihnen angeschlossen. Durch die beiden wußten sie, daß es überall im Bergland gärte.
Die Bergarbeiter einer Kupfermine nahe Petra Ramae hatten vor ein paar Tagen ihre fränkischen Herren überwältigt und waren angeblich auf dem Weg, um Volkers Rebellenarmee zu verstärken. Auch im nahen Dudeldorf waren die Franken ve r trieben worden. Fast jeder der Freiwilligen hatte irgendwo einmal die rote Bardin gesehen, wie die Bergbewohner Belliesa nannten. Ihre Lieder waren in aller Munde, und selbst in den abgelegensten Tälern waren die Geschichten über den Ause r wählten des Erzengels Gabriel bekannt.
Doch daß die Menschen ihn anhimmelten, half nicht, all die Probleme zu lösen, die sich daraus ergaben, daß der Spielmann plötzlich die Verantwortung für einen kleinen Heerzug hatte. Sie hatten nicht die Lebensmittel, um all die Freiwilligen zu versorgen. Es fehlte an Wagen und Lasttieren, die der Truppe folgten. Es hatte nicht einmal jeder eine Decke, um sich nachts zu wärmen. Man konnte meinen, die Leute erwarteten, daß Volker Wunder wirkte. Wenn sie durch ein Dorf zogen, verli e ßen die Männer einfach ihre Häuser und schlossen sich ihnen an. Oft nahmen sie dabei nicht einmal das Nötigste mit.
Golo blickte wieder zu der Stadt hinüber. Sie brauchten Beda! Dort gab es genug Lebensmittel und auch Quartiere. Aber wie sollten sie diese Mauern überwinden. Gemeinsam mit den paar Franken, die zu ihnen übergelaufen waren, konnten sie gerade einmal vierzig ausgebildete Krieger stellen. Alle anderen hatten noch nie in ihrem Leben mit einem Schwert gekämpft. Wenn sie auf ernsthafte Gegenwehr stießen, würde es ein Massaker g e ben.
Volker hatte seine Ritter um sich gesammelt und allen and e ren Männern befohlen, sich weit gefächert entlang der Wal d ränder aufzustellen. Sie sollten Lärm machen und den Eindruck erwecken, daß sich eine ganze Armee in den Wäldern verstec k te. Golo glaubte nicht, daß die Franken auf diese Finte herei n fallen würden. Vielleicht war
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