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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Winterkälte Finger oder Zehen fortgefressen hatte. Angeblich fühlte man nicht einmal etwas dabei, und man konnte die Glieder abbrechen, als seien sie aus Glas.
    Unbehaglich blickte Volker auf den Fellmantel, der über ihn gebreitet war. Er konnte seine Hände nicht sehen. Ob er einen seiner Finger verloren hatte. Oder vielleicht sogar mehrere. Er versuchte, sich auf seine Hände zu konzentrieren und die Fi n ger einzeln zu bewegen, doch es mochte ihm nicht gelingen. Ein eisiger Schauer kroch ihm den Rücken hinab. Seine Hände w a ren bandagiert! Selbst wenn er nur die Kuppe eines Fingers ve r loren hätte, würde er nie wieder die Laute schlagen können. Womöglich könnte er auch kein Schwert mehr führen. Vorsic h tig schob er den Fellmantel mit den Füßen zurück. Sie waren nicht verbunden. Seinen Zehen schien also nichts geschehen zu sein.
    Als er die Decke so weit zurückgestreift hatte, daß sie nur noch wenige Zoll oberhalb der Handgelenke lag, hielt er inne. Wollte er es wirklich wissen? Er dachte an die wunderbaren Abende am Hof zu Worms, an denen er den König und sein Gefolge mit Lautenspiel unterhalten hatte. Die Edeldamen, Dirnen oder Mägde, die an seinen Lippen gehangen hatten, wenn er zum Klang der Laute von der Liebe sang. War all dies nun für immer vorbei? Wie würde seine Zukunft aussehen? Er war ein Ritter, doch bei Hofe nannte ihn jeder nur den Spie l mann. Würde man ihn bald schon hinter vorgehaltener Hand den Krüppel nennen? Würden die Frauen, deren Herzen er einst entflammt hatte, voller Mitleid auf seine verstümmelten Finger starren?
    Mit einem Ruck zog er die Hände unter dem Pelz hervor. Sie waren dick mit Leinenstreifen umwickelt. Dunkle Flecken ma l ten sich im hellen Stoff ab. Volker hielt seine Rechte ganz dicht vor sein Gesicht, um in dem schwachen Licht besser sehen zu können. Der Verband roch nach ranzigem Fett und nach Krä u tern.
    Der Ritter versuchte die Finger zu krümmen, doch das Leinen war so stramm gewickelt, daß es ihm kaum gelingen wollte. Er fluchte leise. Diese Stoffetzen mußten weg! Er wollte seine Fi n ger sehen. Er mußte sicher sein, daß mit ihnen alles in Ordnung war!
    Mit den bandagierten Händen konnte er den Verband nicht lösen. Also führte er die Rechte an seine Lippen und zerrte mit den Zähnen an den Leinenstreifen.
    »Was tut Ihr, Herr?« Die Frau neben der Bettstatt hatte sich erhoben. »Ihr müßt den Verband in Ruhe lassen.«
    »Was ist mit meinen Fingern!« herrschte Volker das Weib an. »Sag es mir auf der Stelle, und versuche nicht, mich zu bel ü gen.«
    »Sie sind … Der Biß des Winters hat Euch Wunden geschl a gen. An den Händen war es am schlimmsten. Kudrun hat sich darum gekümmert. Sie ist bewandert im Umgang mit Salben, Herr. Aber sie hat gesagt, daß der Verband erst nach drei Tagen abgenommen werden darf.«
    »Warum? Wie haben meine Hände ausgesehen? Muß ich um meine Finger fürchten?«
    »An den Spitzen einiger Finger hatte sich die Haut dunkel verfärbt, Auserwählter. Aber Kudrun hat gesagt, daß die Engel Euch beschützen. Sie war erst vor einer Stunde hier, um an den Verbänden zu riechen. Sie meinte, daß alles gut sei.«
    Volker hob die Rechte unter die Nase. Er fand nicht, daß der Verband gut roch. Hatte das Kräuterweib etwa Angst, daß se i ne Finger brandig wurden und abfaulten. Er schluckte.
    »Wo ist diese Kudrun? Ich will sie sehen!«
    »Fühlt Ihr Euch denn stark genug, um Euch zu erheben, Au s erwählter?«
    »Wenn du meinst, daß sie nicht zu mir kommen kann, so n dern ich mich zu ihr begeben muß, dann ja. Ja, ich glaube ich kann laufen. Wie lange bin ich eigentlich schon hier?«
    »Zwei Tage, Herr. Ihr habt die ganze Zeit geschlafen. Jetzt solltet Ihr erst einmal essen, und dann werde ich Euch zum Eber bringen. Er hat befohlen, daß Ihr sofort zu ihm kommen sollt, sobald Ihr wieder bei Kräften seid.«
    »Ich will zuerst zu Kudrun, Weib. Sie soll mir sagen, wie es um mich steht.«
    »Aber der Eber hat befohlen … « Die Stimme der Frau zitterte. Obwohl er nicht sehr laut sprach, hatte der Tonfall seiner Worte sie zusammenzucken lassen. »Kudrun wird auch in der Festha l le sein. Wenn ich Euch dorthin bringe, werdet Ihr auch sie spr e chen können, Herr. Alle sind dort, um der Bardin zu lauschen.«
    »Der Bardin!« Mit einem Ruck richtete sich Volker auf dem Lager auf. »Sie ist hier? Wann ist sie gekommen?«
    Die Alte wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Seine he f tige Reaktion schien sie vollends

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