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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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eingeschüchtert zu haben. »Sie kam vor drei Tagen, Auserwählter. Sie war es auch, die Euch vor dem Tor gefunden hat. Gestern hat sie die ganze Nacht an Eurem Lager gewacht. Erst als sie sah, daß es Euch wieder be s ser ging, hat sie eingewilligt, in der Festhalle zu singen.«
    Woher wußte Belliesa, daß er hierher unterwegs war? War es ein Zufall, daß sich ihre Wege wieder gekreuzt hatten? Volker dachte an die Tote draußen im Schnee, die der Sängerin so äh n lich gesehen hatte. Sie hatte mit der Stimme der Bardin gespr o chen. Und die roten Federn. Hatte der Feuervogel die zu Tode erschöpfte Frau den Hügel hinaufgeführt? Volker wußte, daß er das Dorf des Ebers nicht mehr rechtzeitig vor dem Sturm g e funden hätte, wenn er nicht der Spur im Schnee gefolgt wäre. Dann läge auch er jetzt irgendwo dort draußen unter einer ka l ten Decke begraben.
    Sein Magen knurrte. Er hatte das Gefühl, er könnte einen ha l ben Ochsen verspeisen. Neben der Glut stand ein eherner Topf in der Feuerstelle. Ob es wohl etwas zu essen gab? Er sollte freundlicher zu dem Weib sein.

    Auf die Alte gestützt, trat Volker in die große Halle. Erst hatte er alleine gehen wollen, denn schließlich waren ja nur seine Hände verletzt, doch nach kaum zwanzig Schritt war er froh, daß die Frau an seiner Seite ging. Ihm wurde schwindelig, die Häuser ringsherum begannen einen wilden Tanz, und hätte ihm die Alte nicht stützend unter die Arme gegriffen, dann w ä re er gestürzt.
    Hinter der kleinen Tür, die ins Festhaus führte, waren schw e re Felle aufgehängt, um die Kälte des Winters draußen zu ha l ten. Den gestampften Lehmboden hatte man mit einer dicken Schicht aus Stroh bedeckt, dem noch immer der Duft der Ernt e zeit anhaftete. Es roch aber auch nach Bier und altem Schweiß. Wie Nebel stieg Rauch von der langen Feuergrube in der Mitte der Halle auf und zog unter den geschwärzten Dachbalken bis hin zu der kleinen Öffnung, die als Abzug im Giebel ausgespart geblieben war.
    Der Festsaal war gedrängt voller Leute. Es mochten fast hu n dert sein. Dennoch herrschte Totenstille. Alle lauschten gebannt der Stimme der zierlichen Sängerin, die auf einem der Tische stand und von Helden aus alter Zeit erzählte. Geschickt begle i tete sie die Verse mit Lautenspiel.
    Die Alte an Volkers Seite sorgte dafür, daß ein paar Frauen auf einer der Bänke zusammenrückten, die an der Wand nahe der Tür standen. Dankbar ließ der Spielmann sich nieder. Seine schmerzenden Hände hatte er vergessen und auch, daß er g e kommen war, um nach der Heilerin zu suchen. Wie alle and e ren, so hatte die Bardin auch ihn in ihren Bann geschlagen.
    Fast unmerklich veränderte sich der Klang ihrer Melodie. Sie redete jetzt von Blut und Tod und den Schrecken der Ve r dammnis. Trotz der stickigen Hitze begannen die Menschen zu zittern. Belliesa sprach vom Bösen und dem Wirken des Bösen. »Es ist wie eine Flut. Zunächst bemerkt man es kaum, wenn das Wasser in dem kleinen Bach, an dem man lebt, zu steigen b e ginnt. Dann plötzlich, über Nacht, wird der Bach zu einem re i ßenden Strom. Eure Häuser, die ihr für sicher gehalten habt, sind überflutet. Die Schwachen, die sich gegen den Fluß ste m men, werden einfach von ihm fortgerissen. Nur die Starken vermögen ihm zu widerstehen, doch wenn das Wasser geht, erwartet sie noch eine zweite Prüfung. Das Land, das sie einst kannten, scheint plötzlich trostlos. Wiesen, Straßen und Äcker sind unter einer dicken Schicht aus schwarzem Schlamm b e graben. Selbst große Bäume sind entwurzelt, die Ernte verdo r ben. Die Landschaft ist zum Spiegel jener Seelen geworden, die sich dem Bösen ergeben haben. Nur die Allertapfersten verm ö gen der Hoffnungslosigkeit, die der Flut folgt, zu begegnen. Nur jene Männer und Frauen, die eine Vision haben, werden bleiben. Jene, die sich inmitten der schlammigen Einöde wieder ein blühendes Land vorstellen können.«
    Belliesa machte eine kurze Pause und blickte prüfend in die Runde. Dann wiederholte sie leise und mit eindringlicher Stimme. »Nur die Allertapfersten werden bleiben.«
    »Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als würde euch der Winter in diesem Jahr das Fleisch von den Knochen fressen. Die Männer waren nicht so erfolgreich wie in früheren Jahren, als sie zur Jagd hinauszogen, und auch die Acker in den Hügeln ringsherum hatten nur eine magere Ernte erbracht. Die Vo r ratshäuser des Dorfes waren nicht einmal zur Hälfte gefüllt, und jeder wußte,

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