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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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wo blieb eigentlich Edith?
    Wahrscheinlich hatte sie die Leiche nicht im Haus selbst gefunden. Wie hätte Edith auch hineingelangen sollen?
    Obwohl …, dachte Jan. Er traute ihr allerhand zu.
    Der weiträumige Garten bot auf den ersten Blick viele mögliche Verstecke. Ein Pfad führte an einer Reihe von Ziersträuchern entlang, die jetzt struppig und karg aussahen. Hinten wuchsen hohe Platanen, die zu denen an der Rheinpromenade passten. Ein Goldfischteich, Schuppen, Pavillon, zwei Terrassen auf unterschiedlichen Niveaus. Was man halt so braucht, dachte Jan.
    Irgendwo musste Edith sein. Warum kam sie ihm nicht entgegen? Vielleicht war sie wieder gestürzt. Ganz okay war sie ja noch nicht gewesen. Und dann die Aufregung über den erneuten Besuch der Altenheim-Frau, der Besuch, den sie seinem übereilten Anruf zu verdanken hatte …
    Scheiße, dachte Jan. Ich bin so ein Idiot. Das muss ungeheuren Stress für sie bedeutet haben.
    Er sah in den geräumigen Geräteschuppen. Nichts.
    Er ging in den hinteren Teil des Gartens. Zwar schirmte eine hohe Mauer das Grundstück von der Rheinpromenade ab, aber von der Höhe des Pavillons aus hatte man einen wunderbaren Blick auf den Fluss. Hier konnte man beim Nachmittagskaffee ungestört sitzen und Schiffe beobachten, wenn man wollte. Ob die Sippmeyers das manchmal getan hatten? Irgendwie passte die Vorstellung nicht zu ihnen. Jan schritt das ganze Grundstück ab, bog Zweige auseinander und sah sogar hinter einen Kasten, der offenbar die Elektronik verbarg.
    Edith fand er nicht.
    Gefahr im Verzug, dachte er, als er die Terrassentür aufstemmte. Es ging leichter als erwartet, und einen Moment lauschte er, ob wohl eine Alarmanlage losschrillen würde.
    Nichts. Warum war so ein großes Haus ungesichert?
    Still lagen Wintergarten und Wohnzimmer vor ihm. Kein Stäubchen auf dem leeren Couchtisch, kein Zeichen von den Bewohnern. Er eilte durch das Erdgeschoss, den Blick auf den Boden geheftet. Sie musste gestürzt sein. Oder war ihr etwas anderes zugestoßen? Es ging immerhin um Mord. Sie hatte eine Leiche gefunden. Was, wenn jemand sie überrascht hatte, jemand, dem das nicht passte?
    Die Küche sah auch heute aus wie aus einer Wohnzeitschrift. Unschlüssig sah er sich um. Sollte er oben suchen?
    Er hätte nie zulassen dürfen, dass sie sich einmischte. Großmütter sollten in ihren warmen Wohnzimmern auf ihrem Ohrensessel sitzen bleiben und Kriminalromane lesen.
    Als sein Handy dudelte, schrak er zusammen.
    Es war Nina. »Deine Oma hat noch mal angerufen, Jan. Margit Sippmeyer lebt! Die beiden sind auf dem Weg zu dir, sie müssten jeden Moment da sein. Ist Elena schon da?«
    »Nein.«
    Sie lebt, dachte Jan, und er meinte damit nicht Margit Sippmeyer.
    Er fragte Nina nicht, warum der zweite Anruf so viel später kam, denn er konnte sich denken, was geschehen war. Edith konnte seine Visitenkarte nicht lesen. Sie konnte gar nichts lesen ohne ihre Lesebrille, und die lag vermutlich zu Hause neben dem Kreuzworträtselheft. Ehe sie einen neuen Versuch in der Telefonzelle gestartet hatte, hatte sie erst jemanden suchen müssen, der ihr wählen half.
    Hauptsache war, dass es ihr gutging. Und Margit Sippmeyer lebte auch. Warum? Und wo war sie gewesen, während alle nach ihr gesucht hatten? Hatte Edith sie befreit? Und er selbst belauerte ein leeres Haus?
    Egal. Sie lebten, alle beide, das war die Hauptsache.
    Alles war gut.
    Jetzt erst merkte Jan, wie warm es hier drinnen war. Er atmete tief durch, als er seine Jacke auszog. Er legte auch seine anderen Sachen ab und machte es sich in einem der Sessel bequem. Die beiden Frauen mussten jeden Moment da sein.
    Auf der Anrichte stand eine Karaffe mit Quittenschnaps. Wie schön wäre es jetzt, auf den Schreck ein Gläschen davon zu trinken! Verdient hatte er es.
    Ohne Haushälterin wirkte das Wohnzimmer leer. Wäre doch nur Cecilia Thomas da, sie würde ihm bestimmt etwas zu trinken anbieten.
    Unschlüssig betrachtete Jan die Karaffe. Als er ein Geräusch vom Eingang hörte, atmete er auf. Da war sie.
    »Edith?«
    Keine Antwort.
    Wahrscheinlich Elena und der Streifenwagen. Sie hätten längst hier sein sollen. Was war nur heute los, dass sich alle so viel Zeit ließen?
    Er trat in den Flur, öffnete die Haustür. Niemand da.
    Vielleicht hatte er sich geirrt?
    Irgendetwas irritierte ihn.
    Etwas roch.
    Es stank, genauer gesagt. Schwach nur, aber doch deutlich zog der Geruch von kaltem Zigarettenrauch durch das Haus. Hatte jemand oben die Tür des

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