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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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Platz und befühlte einen Pickel an ihrer Stirn, als wolle sie sich vergewissern, dass er noch da war. Ihre Lippen glänzten grellrosa, und sie roch entschieden zu stark nach Parfüm. Sie stank, um genau zu sein.
    »Erst einmal Ihr Name, bitte«, sagte Elena und zog ihren Block heran.
    »Sandra Yilmaz.«
    »In welche Klasse gehen Sie?«
    »In Laras Klasse. Ich bin ihre beste Freundin.«
    Elena stutzte. »Sandy?«, vergewisserte sie sich und kramte in ihrem Rucksack nach den Unterlagen.
    »Genau die.« Das Mädchen strahlte.
    »Ich habe eben versucht, Sie anzurufen. Ihr Handy ist ausgeschaltet.«
    »Genau!« Empört funkelte das Mädchen Elena an. »Wir mussten unsere Handys ausschalten, alle. Das hat Ihr Kollege gesagt.« Anklagend wies ihr Zeigefinger Richtung Flur.
    »Verstehe.« Kein Wunder, dass Koller die ganze Telefonliste erfolglos durchgeklingelt hatte.
    »Dabei sind wir ja dann alle nicht erreichbar, aber der Typ meinte, es wäre eh zu laut. Dabei ist das ja nicht unsere …«
    »Okay«, sagte Elena. »Jetzt sagen Sie mir bitte erst einmal, warum Sie hier sind.«
    Das Mädchen nickte und strich sich mit bedächtiger Geste den Seitenscheitel glatt. »Alle, die was wissen, sollten kommen, hat die Gerb-Ferber gesagt. Und ich wollte das mit dem Freak sagen.«
    »Mit …«
    »Sven. Der immer mit Lara lernt. Ihre Mutter ist doch Vertrauenslehrerin, und sie wollte, dass Lara sich um den kümmert. Den sollen Sie mal fragen, dachte ich nur. Weil der sie doch bestimmt zuletzt gesehen hat.«
    »Lara?«
    »Nee, ihre Mutter!«
    Elena zwang sich zur Ruhe. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Na, der ist doch in ihrem Auto mitgefahren an dem Tag. Gleich nach der kleinen Pause, da habe ich die beiden gesehen.«
    »Um wie viel Uhr war das?«
    »Nach zwölf irgendwann. Wir hätten da eigentlich Sport gehabt, aber ich, also, mir war nicht so gut«, beeilte sich Sandy hinzuzufügen, als sei Elena Fahnderin für Schulschwänzdelikte. »Ich hatte meine Tage«, setzte sie vertrauensvoll hinterher. Dann fuhr sie fort, ihre Stirn zu befummeln und ihre blonden Strähnen über den Pickel zu legen.
    Nach zwölf, dachte Elena.
    Wo mochte der Junge sein? Zu Hause? War er gefährlich?
    Jan war unterwegs zum Haus der Sippmeyers. Die anderen auch.
    »Reimann!«, brüllte sie. Dann fluchte sie.
    *
    Wenn es so etwas wie eine höhere Instanz gab, die Dummheit bestrafte, dann war seine jetzige missliche Lage die faire Quittung für sein Verhalten, dachte Jan.
    Wie hatte er nur so dämlich sein können? Wie genau Sven in das Geschehen verwickelt war, wusste er zwar nicht, aber der Junge war ganz offensichtlich gewaltbereit und musste dafür einen guten Grund haben.
    Jan saß auf genau jenem himmlisch bequemen Sessel, auf dem er vorhin voreilig den guten Ausgang dieses verqueren Tages gerühmt hatte. Dann und wann warf er einen schnellen Blick auf den blassen Jungen ihm gegenüber. Wenn dessen Aufmerksamkeit nachließ, konnte er ihm vielleicht die Waffe abnehmen. Kräftig sah Sven nicht aus. Allerdings machte das weiche Polster, in dem Jan eher lag als saß, eine schnelle Bewegung beinahe unmöglich, und außerdem hielt Sven mit gleichbleibender Konzentration die Waffe auf ihn gerichtet.
    Seine Walther.
    Es war unverzeihlich, dass er so fahrlässig mit ihr umgegangen war, das wusste er, und im Geiste zählte er bereits auf, welche Konsequenzen das haben würde.
    Abmahnung.
    Disziplinarverfahren.
    Es hatte nie gestimmt zwischen ihm und seiner Dienstwaffe. »Männlich, Jan, männlich«, hatte Clara gespottet, als sie ihn das erste Mal mit Holster gesehen hatte. Viel schlimmer aber war der zerstreute Blick seiner Mutter gewesen, der deutlich machte, dass sie seinen Polizeidienst nur als eine seltsame Episode in seiner psycho-sozialen Entwicklung betrachtete, die ihn eines Tages hoffentlich auf den rechten Weg führen werde, was in ihren Augen etwa ein Studium des Zulu-Afrikanischen bedeuten mochte oder eine Ausbildung zum Reiki-Therapeuten.
    »Vielleicht braucht der Junge doch einen Vater«, hatte sie am Telefon seufzend zu ihrer Schwester gesagt, als er an der Polizeischule begonnen hatte, und er war fuchsteufelswild geworden, immerhin war er zu diesem Zeitpunkt bereits erwachsen gewesen.
    Sie hatte seine Schimpftirade mit einem sprechenden Blick auf diese verdammte Waffe beantwortet, einem Blick, der ihm erklärte, dass in ihrer Welt eine Pistole niemals eine Pistole war, sondern ein eigenartiges Requisit patriarchaler Machtspielchen.
    »Es gibt

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