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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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Eheringen? Sollte er bei der Goldschmiedin anrufen und fragen, wie man in einem solchen Fall verfuhr, oder hatte Nicoletta dies bereits getan? Und was, wenn er zuerst anrief und sie dann später erfuhr, dass er sich längst um die Entsorgung der Ringe gekümmert hatte – wie vertrug sich das mit seinen Beteuerungen, er werde auf sie warten für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie es sich noch einmal überlegte?
    Elenas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Meinst du, das ist unsere Tote?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Was machen Sie da?« Michael Sippmeyers Stimme klang schneidend, und Jan merkte erst jetzt, dass er immer noch das gerahmte Bild in den Händen hielt. Hastig stellte er es zurück an seine Stelle auf dem Kamin.
    »Ist das Ihre Frau?«
    »Ja, das ist sie. Ich habe Ihnen drei Fotos mitgebracht, suchen Sie sich eins aus.« Er hielt Jan einige Urlaubsbilder hin. Eine braungebrannte Margit strahlte unter ihrem Sonnenhut hervor, die Hand neckisch an der Krempe.
    Jans Blick glitt noch einmal zu dem Hochzeitsbild. Die Ringe.
    »Trägt Ihre Frau den Ehering links oder rechts?«
    »Bitte was?«
    »Auf dem Urlaubsbild trägt Ihre Frau den Ehering an der linken Hand. Tut sie das immer noch?«
    »Ja, das stimmt. Sie hat sich als Kind bei einem Reitunfall zwei Finger gebrochen, so dass ihre Gelenke leicht anschwellen.«
    »Ich verstehe.« Die Leiche hatte den Ehering rechts getragen, da war Jan sich sicher. Konnte es sein, dass die Tote gar nicht Margit Sippmeyer war? Bald würden sie es wissen.
    Elena hob die Achseln und machte eine verständnislose Geste. Vermutlich wollte sie ihn drängen, dem armen Mann endlich reinen Wein einzuschenken.
    »Wenn Sie sich bitte noch einmal setzen würden, Herr Sippmeyer«, sagte sie dann, da Jan sich nicht rührte. »Da ist noch etwas, das wir Ihnen sagen müssen.«
    Michael Sippmeyer schien zu wissen, was ihn erwartete. Er griff nach dem Quittenschnaps und schenkte sich ein Glas ein.
    Und während Elena ihm behutsam auseinandersetzte, dass unweit seines Hauses eine weibliche Leiche gefunden worden war, steckte Jan seine nackten Hände in die Hosentaschen. Er würde morgen zum Juwelier gehen und die Ringe abholen. Oder zumindest seinen. Denn wenn er weiterhin ohne Ehering herumlief, würde es früher oder später zu unangenehmen Fragen kommen, die er lieber noch hinauszögern wollte. Zumindest so lange, bis er Nicoletta noch einmal gesprochen hatte.
    *
    »Wunderbar sind Ihre Sachen, wirklich entzückend«, sagte die Frau und betrachtete bewundernd eine Drachentasse, während ihr etwa dreijähriger Sohn das unterste Regalbrett ausräumte. Dort standen die Honiggläser, und Romina hoffte, dass diese nicht so fragil waren wie die Tassen, die letzte Woche zu Bruch gegangen waren.
    Lächeln, dachte sie, einfach lächeln. Kunden sind Kunden, und die Ware ist versichert. Aber sie konnte nicht umhin, sich zu fragen, warum ständig Eltern mit entspanntem Gesichtsausdruck in ihrem Laden stöberten, ohne je mehr als eine Tasse zu erstehen, und in Kauf nahmen, dass ihre Sprösslinge unterdessen alles zertrümmerten. Warum schnallten sie die nicht einfach im Buggy fest? Dafür waren die Dinger doch da.
    »Haben Sie diese Notizblöcke auch noch mit anderen Motiven?«, erkundigte sich die Frau.
    »Wenn Sie einen Moment warten, schaue ich nach«, sagte Romina. Im Lager mussten noch welche mit Seepferdchen sein. Seepferdchen waren der Renner. Die Kinder sahen die Tiere im Sea-Life-Center, waren begeistert und wollten danach alles kaufen, worauf Seepferdchen abgebildet waren. Bald würde es Seepferdchenlutscher geben und Seepferdchenbrot, und der Drachenfels würde umbenannt …
    Romina verschluckte sich, sie wusste nicht einmal, ob es ein Lachen oder ein Schluchzen war, das ihr die Kehle verstopfte. Werd nicht hysterisch, dachte sie. Das sind Kunden. Sie bringen Geld.
    Sie suchte Notizbücher aus dem Regal und trat zurück in den Verkaufsraum, wo der kleine Junge inzwischen dazu übergegangen war, ein Honigglas über den Boden rollen zu lassen.
    »Die sind toll«, sagte die Frau, und ihre Begeisterung wirkte echt. »Ich nehme zwei, in Grün und Pink. Schade, dass Sie keine Schulsachen haben. Immer diese Diddel-Maus, das kann doch niemand mehr sehen.«
    Sie kaufte auch das Honigglas und zwei Tassen, und Romina hielt ihr zum Abschied die Tür auf und sah ihr nach, wie sie mit ihrem Sohn den Laden verließ, in der Hand eine große bunte Tüte mit dem Drachen-Logo, das sie vor fünf Jahren erfunden

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