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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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Raum zwischen sich, um ruhig zu schlafen, dachte Jan. Oder war es ein Versuch, die erotische Kraft dieses Mannes zu bannen?
    Er streifte Einweghandschuhe über und öffnete den Badezimmerschrank. Tablettenschachteln, etwa zwanzig. Aspirin, Vitamine, Grippemittel, die kannte er. Den Rest reichte er kommentarlos an Elena weiter. Im zweiten Schrank verbargen sich Kosmetikartikel, weiße Tuben und Flaschen mit Goldrand, das meiste schien von ein und derselben Marke zu sein. Sein eigenes Badezimmer drängte sich ihm vors Auge, Nicolettas Sammelsurium an Pflegeprodukten. Sie kaufte, was immer gerade offensiv beworben wurde oder vermeintlich im Angebot war. Dann fiel ihm ihre Schlafbrille ein.
    Nein, dachte er und klappte die Schranktür zu. Das gemeinsame Badezimmer gab es nicht mehr, nur seinen Kulturbeutel zwischen den zahlreichen Kölnischwasser-Flaschen, die Edith geschenkt bekommen, nie benutzt und zu einer beeindruckenden Armee aufgereiht hatte. Bald würde dieser Beutel in sein neues Badezimmer wandern, jenes, das noch keine Fliesen hatte.
    Margit Sippmeyer war offensichtlich ein anderer Einkaufstyp als Nicoletta. Eine Frau, die wusste, was sie wollte, und die es sich obendrein leisten konnte.
    »Beruhigungsmittel und Antidepressiva verschiedener Hersteller«, sagte Elena, die mit Stirnrunzeln die Beipackzettel studierte. »Benzodiazepin, hartes Zeug. Wenn sie solche Medikamente zum Schlafen braucht, würde sie wohl kaum ohne sie abhauen.« Sie nickte selbstgefällig. Wahrscheinlich verglich sie sich im Geiste sowohl mit der imaginären hirnlosen Geliebten als auch mit der depressiven Ehefrau und war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Elena war immer mit sich zufrieden, auf eine Weise, die Jan rasend machte.
    »Was machen Sie denn hier?«, unterbrach Sippmeyers Stimme seine Gedanken. Der Mann lehnte im Türrahmen, in sein schönes, kantiges Gesicht hatten sich Sorgenfalten gegraben. »Ich hätte es begrüßt, wenn Sie auf mich gewartet hätten.«
    »Dies ist eine polizeiliche Ermittlung, lieber Herr Sippmeyer«, konterte Elena und schob sich an ihm vorbei. Selbstverständlich ließ sie den Doktortitel weg, das war wohl ihre Art zu zeigen, dass sie vom Hausherrn nicht im mindesten beeindruckt war. »Wenn Sie nichts dagegen haben, spreche ich jetzt mit Ihrer Haushälterin. Wenn Sie etwas dagegen haben, allerdings auch.«
    Jan hob die Hände und warf Sippmeyer einen entschuldigenden Blick zu, den dieser nicht erwiderte. Stattdessen setzte er sich auf das Bett seiner Frau und legte beinahe zärtlich die Hand auf die flauschige Tagesdecke.
    »Bitte, stehen Sie auf. Die Kriminaltechnik …«
    »Natürlich, entschuldigen Sie!« Sippmeyer erhob sich augenblicklich. »Es ist nur … Ich mache mir Sorgen. Und dann dieser Geburtstag, sie hat so viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt. Er war ihr wichtig, dieser Tag. Man wird nur einmal vierzig, hat sie immer gesagt. Ich weiß gar nicht, wie sie das gemeint hat. Werden Frauen gerne vierzig? Ich hätte sie fragen sollen.« Seine Augen blieben trocken, aber die Anstrengung, die ihn das kostete, sah man dem Muskelspiel seines Kiefers an.
    »Wir haben eine größere Anzahl verschreibungspflichtiger Psychopharmaka im Badezimmerschrank Ihrer Frau gefunden«, sagte Jan. »Wussten Sie davon?«
    »Sie war etwas nervös, manchmal.«
    »Etwas?«
    »Ja. Manchmal mehr, manchmal weniger. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie etwas dagegen genommen hat, aber gesprochen haben wir darüber nicht.«
    »Können Sie mir Name und Nummer des Hausarztes geben? Ich würde gern mit ihm Rücksprache halten.«
    Sippmeyer setzte sich aufrecht hin. »Aber ist das nicht vertraulich?«
    »Bei allem Respekt, Herr Dr. Sippmeyer. Wir wissen nicht, was sich hier abgespielt hat, aber wir können mit dem Schlimmsten rechnen. Es mag sein, dass Ihre Frau schon morgen wieder auftaucht, aber falls nicht, sollten wir vorbereitet sein. Lassen Sie uns unsere Arbeit tun. Wir werden alles unternehmen, um Ihre Frau schnell zu finden.« Die Worte kamen ihm verlogen vor, wenn er an die Leiche im Nachtigallental dachte, und er schloss den Mund.
    *
    In der riesigen Küche herrschte heilloses Chaos. Silberne Platten, eingehüllt in Klarsichtfolie, standen auf jeder freien Fläche, und Elena beobachtete interessiert, wie die Haushälterin Häppchen aus der Folie befreite, in Plastikboxen packte und in zwei Kühlschränken verstaute, die bereits aus allen Nähten platzten. Sie hatte die Aussage aufgenommen, aber irgendetwas hielt

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