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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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sie davon ab, zu den Kollegen zurückzugehen.
    »Können Sie das Essen nicht einfach zurückgeben?« Elena nippte an dem ausgezeichneten Kaffee, den Cecilia Thomas ihr angeboten hatte, und inspizierte unauffällig die Platte vor ihrer Nase. Winzige Rouladen, Lachstörtchen, Hackfleischbällchen …
    »Schön wäre es!« Vergeblich versuchte Cecilia, Platz für eine weitere Box zu finden.
    »Und wenn Sie die Sachen einfrieren?«
    »Die Frikadellen vielleicht, der Rest verdirbt dabei.« Sie gab auf, schloss die Kühlschranktür und hielt Elena die Box hin. »Möchten Sie vielleicht?«
    »Gern!«
    Stumm saßen die beiden Frauen am Tisch und aßen, die eine mit Genuss, die andere voller Anspannung. Schließlich brach Cecilia das Schweigen. »Eine schlimme Sache.«
    »Ja.« Elena kaute und schluckte.
    »Und dass man gar nichts tun kann.«
    »Das ist schwer, ja.« Sie wartete einfach ab. Das funktionierte immer am besten. Die meisten Leute ertrugen Gesprächspausen nicht.
    »Wenn man wüsste …« Cecilia Thomas brach ab.
    »Warum sagen Sie nicht einfach, was Sie sagen wollen?«
    »Es ist nur eine Ergänzung, und vielleicht ist es auch gar nicht wichtig.«
    Elena lächelte zufrieden und griff nach ihrem Block. »Und zwar?«
    »Ich habe gestern Nacht jemanden gesehen.«
    »Wann war das?«
    »Ich weiß nicht, ich habe nicht auf die Uhr gesehen. So um zwei vielleicht?«
    Elena schrieb mit und nickte, zum Zeichen, dass sie weiterreden sollte.
    »Manchmal, wenn viel zu tun ist oder ich spätabends noch servieren soll, übernachte ich in einem der Gästezimmer im zweiten Stock. Letzte Nacht habe ich hier geschlafen, aber ich bin mehrmals aufgewacht.«
    »Hat Sie etwas geweckt?«
    Die Haushälterin zögerte, dann griff sie nach einem Hackfleischbällchen. Sie waren mit gehackter Minze zubereitet, was für Elenas Gaumen gewöhnungsbedürftig geschmeckt hatte. Aber Cecilia Thomas hatte ohnehin etwas anderes im Sinn, als zu essen. Sie drehte und wendete die Frikadelle, dann legte sie sie wieder weg. »Es muss wohl die Aufregung wegen der Party gewesen sein. Es hatte Ärger mit einigen Lieferanten gegeben, und es war Frau Sippmeyer sehr wichtig, dass alles reibungslos abläuft. Ich habe mir ein Glas Wasser geholt und aus dem Fenster gesehen, und dabei entdeckte ich jemanden zwischen den Bäumen.«
    Elena schrieb aufmerksam mit. »Wo?«, fragte sie, ohne aufzublicken.
    »Zwischen den Bäumen, die neben der Einfahrt stehen.«
    »Nachher können Sie mir die Stelle zeigen. Haben Sie denn etwas erkennen können?«
    »Ich glaube schon. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es Romina Schleheck war. Das ist die Künstlerin hier im Ort, die diese Drachenbilder malt.«
    »Kennen Sie diese Frau Schleheck näher?«
    »Nein.«
    Elena klappte ihren Block zu und lächelte die Haushälterin an. »Wir machen da später noch ein richtiges Protokoll draus, Frau Thomas. Aber sagen Sie mir doch einmal: Warum haben Sie das nicht vorhin schon erzählt, als mein Kollege Sie befragt hat?«
    Cecilia Thomas presste die Lippen aufeinander, ganz so, als wolle sie verhindern, dass ihnen eine Lüge entschlüpfte.
    *
    Der Mann tat ihm leid. Und gleichzeitig fragte sich Jan, wie er selbst wohl reagiert hätte, wenn Nicoletta aus heiterem Himmel verschwunden wäre. Er hätte sie wieder und wieder auf ihrem Handy angerufen, das stand fest. Vielleicht hätte er sich bei ihrer Mutter erkundigt, aber nur vielleicht. Viel wahrscheinlicher war, dass er stocksauer auf sie gewesen wäre. Vielleicht hätte er auch befürchtet, dass sie ihn sitzengelassen hatte, weil sie erkannt hatte, dass auf der Welt tollere Typen herumliefen als Jan Seidel. Insgeheim hatte Jan sich schon oft gefragt, ob Nicoletta nicht eine Nummer zu groß für ihn war.
    Wenn sie verschwunden wäre, hätte er an viele Erklärungen gedacht, aber nicht an ein Verbrechen. Offenbar war ihre Beziehung auf einem weniger stabilen Fundament gebaut als die der Sippmeyers. Oder war das eine Frage der Generation?
    Unfug, dachte Jan. Ein Ehepaar mit einem halbwüchsigen Sohn, das einen runden Geburtstag mit vielen geladenen Gästen feiern will, das ist einfach eine andere Lebenssituation als bei einem jungen Paar. Natürlich befürchtet der Ehemann da das Schlimmste.
    Und außerdem hatte Sippmeyer gar nicht sofort die Polizei gerufen. Vielleicht sollte man sich lieber mal überlegen, warum. Immerhin schien er äußerst besorgt. Wäre es da nicht naheliegender gewesen, selbst eine Vermisstenmeldung aufzugeben, statt das

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