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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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wer?«, entgegnete er. Sein Atem ging ruhig. Ganz ruhig.
    *
    Im Präsidium herrschte Trubel, als Jan eintraf.
    »Unsere Leiche ist nicht Margit Sippmeyer«, informierte Elena ihn und rührte in ihrem blassen Tee. »Das sagt ihr Mann, der Hausarzt hat es bestätigt. Die Truppe hat in der Tatortumgebung nichts gefunden, weder Ausweis noch andere persönliche Gegenstände, die zu unserer Frau gehören. Kein Hinweis auf ihre Identität, nichts. Lohse hat eine Pressekonferenz anberaumt.«
    Jan trat zum Kaffeeautomaten und stellte seine Tasse darunter. Als er die Dose mit den Kaffeepads öffnete, war sie leer. »Pressekonferenz ist gut. Jetzt, da wir wissen, dass die Tote nicht Margit Sippmeyer ist, brauchen wir die Presse, und zwar überregional. Wenn wir morgen in allen Zeitungen stehen, erfahren wir am schnellsten, wer unsere Frau ist. Habt ihr ein Foto?«
    »Fehlanzeige«, sagte Elena. »Das Gesicht ist zu stark verändert für ein Foto. Frenze sagt, sie ist erst gewürgt und dann erschlagen worden, Näheres weiß er erst nach der Obduktion. Tatwaffe fehlt, ebenso das Tuch, mit dem sie gedrosselt wurde.«
    »Und was geben wir der Presse?«
    »Wir haben ihre Kleidung fotografiert. Sie ist etwa eins siebzig, blond, um die vierzig, das muss doch reichen.«
    Reimann zuckte die Achseln. »Wenn sie bisher nicht vermisst wurde, nicht unbedingt.«
    Elena ignorierte ihn. »Wir werfen der Presse gleichzeitig das Verschwinden von Margit Sippmeyer zum Fraß vor, das wird sie freuen. Eine hübsche Story ist das. Die eine Blondine verschwindet, die andere taucht auf. So können wir uns der überregionalen Aufmerksamkeit sicher sein, auch ohne Bild.«
    »Sehr gut«, pflichtete ihnen eine Stimme von der Tür bei, und sie fuhren herum. Dezernatsleiter Gerd Lohse stand in der Tür und strich sich gedankenverloren die dünnen Haare aus der hohen Stirn. »Du weißt, wie man mit der Presse umgeht, Elena. Mach du die Konferenz. Ich muss leider noch mal weg.«
    Elena öffnete den Mund zum stummen Protest und schloss ihn gleich wieder. »Klar.«
    »Vielleicht zusammen mit Frenze? Die Presse liebt Rechtsmediziner. Wegen dieser Fernsehserien.«
    »Er hat noch gar nicht obduziert, er wollte gerade beginnen.«
    »Egal, egal, Details werden wir ohnehin nicht rausgeben. Wir brauchen Frenze hier.«
    »Aber …« Wieder bremste sich Elena. »Und die Obduktion?«, fragte sie nur.
    »Soll er morgen machen.«
    Elena nickte. Der Staatsanwalt würde nicht erfreut sein, aber das war nicht ihr Problem.
    »Ist der ganze Scheiß wirklich nötig?«, fragte Reimann leise, nachdem Lohse wieder abgetaucht war. »Ich hasse diese Kooperation mit der Presse. Das kann nach hinten losgehen.«
    »Wir müssen«, sagte Elena. »Niemand hat etwas gesehen, wir haben nichts gefunden, und falls Touristen unterwegs waren, sind sie möglicherweise längst zurück in Holland oder an der Mosel oder wo auch immer.«
    Jan nickte. Elena hatte recht, die meisten Besucher in Königswinter waren Tagestouristen.
    »Ich hab die Telefonliste von Margit Sippmeyer abtelefoniert, bisher nichts. Alle waren aufgeregt, dass die große Feier abgesagt wurde. Einige haben ihre Verwunderung darüber geäußert, dass so etwas ausgerechnet Margit passiert, sie scheint nicht gerade bekannt dafür zu sein, dass sie Aufregung verursacht. Offenbar verhält sie sich sonst ziemlich berechenbar. Das klang so durch. Ich hatte den Eindruck, bei ihrem Ehemann hätte es niemanden gewundert, wenn er mal kurz verschwinden würde.«
    Elena seufzte. »Wir haben nichts, gar nichts. Und der Ehering ist noch bei Frenze.«
    »Moment«, sagte Jan. »Da war noch was in der Jackentasche, hat der Polizeifotograf gesagt.« Er trat hinter seinen Schreibtisch und hob ein Plastiktütchen hoch. »Ein Stift. Zwar kein Monogramm, aber immerhin kein Einwegkuli. Er steckte in der Innentasche, der Täter muss ihn übersehen haben, ebenso wie die Beamten vor Ort.« Er verstummte, als ihm einfiel, dass er selbst einer der Beamten vor Ort gewesen war.
    »Zeig mal.« Nachdenklich nahm Elena ihm die Tüte aus der Hand. Es war ein alufarbener Tintenroller, einer von der teuren Sorte, die man wieder auffüllen konnte. Sie nahm ihn aus der Hülle und kritzelte.
    »Hey, was machst du da?«
    »Fällt dir nichts auf?«
    »Doch. Du versaust deine Unterlage und vernichtest Fingerabdrücke.«
    Elena zuckte die Achseln und starrte auf ihre Unterlage. »Die Tinte.«
    »Rote Tinte. Und?«
    »Warum rote Tinte?«
    »Liebesbriefe?«, fragte Reimann.

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