Nibelungenmord
ja. Sie ist sehr eingespannt bei den Sippmeyers und kommt deswegen nur zu den Vormittagsproben.«
»Ach so. Eine nette Frau.« Also war es Cecilia gewesen, der das Verschwinden von Margit Sippmeyer aufgefallen war.
»Ja wirklich!« Herta beugte sich vor. »Sie ist es, die die Polizei verständigt hat.«
»Eine furchtbare Sache«, sagte Edith und schüttelte traurig den Kopf.
»Schrecklich! Der arme Sohn! Und der arme Mann, natürlich.«
Ediths feine Antennen registrierten eine leichte, kaum wahrnehmbare Störung in Hertas Tonlage, als sie Margits Ehemann erwähnte.
»Der Mann, nun ja …« Sie sah Herta entschuldigend an und wartete ab. Man konnte Herta leicht aushorchen, sie wartete nur darauf, nach dem schicklichen Zögern mit allem, was sie wusste, herauszuplatzen.
»Ja, Männer sind manchmal …« Herta verstummte und betrachtete die Spitzengardinen.
»Ich habe gehört, dass der Mann …«
»Du weißt davon?« Herta beugte sich vor. »Ungeheuerlich, was manche Ehemänner sich herausnehmen. Immerhin hat sie ihm einen Sohn geboren. Und das ganze Geld ist auch von ihr. Und sich dann so mir nichts, dir nichts eine andere zu nehmen …«
»Leben sie denn in Scheidung?«
»Aber wo denkst du hin? Das ist ja das Schlimme! Er behält sie beide! Die Ehefrau hält schön still, und die andere ist zufrieden mit dem, was sie bekommt. Oder tut so. Wahrscheinlich bildet sie sich ein, dass er seine Ehefrau irgendwann verlässt und sie heiratet. Das denken Geliebte immer.« Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln lehnte Herta sich zurück, und ihrem grimmigen Gesicht war die Empörung über diese eitlen Hoffnungen anzusehen.
»Vielleicht ist sie schwanger?«, vermutete Edith, während sie im Kopf bereits verschiedene Motive durchspielte.
»Wo denkst du hin!« Entgeistert starrte Herta sie an. »Das ist es ja! Die andere ist viel älter, sogar älter als er! Fast sechzig, sagt Irma! Sie nimmt ihn aus wie eine Weihnachtsgans, und die Ehefrau steht daneben und wartet darauf, dass er sich entscheidet.«
»Wirklich?« Das wurde immer interessanter. »Bist du denn sicher, dass das alles stimmt?«
An dieser Stelle der Unterhaltung hatte Hertas Empörung ihr Höchstmaß erreicht. »Die Spatzen pfeifen es von den Dächern!«, rief sie. »Wahrscheinlich geht das schon seit Jahren, aber im Frühjahr hat Irma die beiden beim Spaziergang auf dem Ölberg gesehen, Hand in Hand!«
Und während Edith um ihre Tischdecke bangte und sich fragte, wie viele Körnchen Wahrheit in all dem Klatsch enthalten sein mochten, erging sich Herta in wilden Beschimpfungen über die Spezies Ehemann.
*
Es war eine einfache Regel, und sie ersparte dem, der sie befolgte, eine Menge Ärger. Sie vermied nämlich überflüssigen Stress am Arbeitsplatz. Und das war vor allem für die Menschen wichtig, deren Leben sich beinahe ausschließlich dort abspielte.
Niemals mit einem Kollegen.
So lautete die Regel.
Ich bin ja so blöd, dachte Elena. Ich bin so saublöd. Es hatte alles ganz einfach und klar ausgesehen, aber wann war jemals etwas so einfach und klar, wie es schien?
Sie war Single gewesen, Reimann frisch getrennt, und dann waren da als Schuldige noch aufzuzählen die langen Nächte im Büro, die aufreibenden Ermittlungen im Fall eines ermordeten Auszubildenden, und weil Elena in Köln wohnte und Reimann in Meckenheim, war ihnen eines Nachts der Heimweg zu lang erschienen, weil sie ja ohnehin in vier Stunden wieder im Präsidium hätten sein müssen. Und irgendwann zwischen der Tiefkühlpizza aus der Dezernatsküche und dem letzten Bier war es dann eben passiert. Und weil es so angenehm gewesen war und so stressfrei und weil ihr Reimanns prächtiger Brustkasten so gut gefiel, hatten sie es regelmäßig wiederholt, meist bei ihr zu Hause. Dummerweise war Reimann irgendwann zwischen dem ersten und dem letzten Mal – das war am vergangenen Donnerstag, rekapitulierte Elena und kam sich dabei kleinkariert vor –, irgendwann also war Reimann wieder bei seiner Frau eingezogen und hatte ihr nichts davon gesagt. Und jetzt war das, was so angenehm und stressfrei gewesen war, plötzlich kompliziert.
Männer, dachte Elena, alles Schweine.
»Haben Sie etwas gesagt?«, fragte Sippmeyer. Er sah blass aus, was bei seiner goldbraunen Haut einen unwirklichen Effekt hatte. Vielleicht lag es aber auch an dem grellen Neonlicht der Rechtsmedizin, das seinem Gesicht das Strahlen entzog.
»Nein.« Elena folgte Frenze, dem Rechtsmediziner, durch den
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