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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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sie auf seine Brust trommelte, bei Sippmeyer eben etwas früher. Auf der Leiter der begehrten Männchen stand er zweifellos ganz oben.
    Scheißmänner, dachte Elena, aber ihr Urteil schmeckte taub und unecht. Das lag an dem, was mit Reimann geschehen war und ganz nebenbei ihre innerste Überzeugung gebrochen hatte.
    Schlimm war nicht das, was Männer Frauen antaten, das taten sie schließlich seit Jahrtausenden, und offenkundig lag das an unglücklichen Steuerungsdefekten im Zusammenspiel von Hirn und Hormonen.
    Schlimm war, wenn Frauen, die analytisch denken und entsprechend handeln konnten, wenn diese Frauen mitzogen. Sie durfte Reimann vögeln, bis ihm die Bettfedern um die Ohren flogen, das war okay. Nicht okay war, wenn sie im Sperrgebiet einer Geschlechtsgenossin vögelte, und genau das hatte sie getan. Unwissentlich. Sie war schuldig geworden, nur weil Reimann, dieses Arschloch …
    »Bitte schön, der Kaffee«, sagte sie und hielt Sippmeyer den Becher hin. Er nahm ihn entgegen, trank und verzog das Gesicht.
    »Ich habe extra viel Zucker hineingetan, damit Sie auf die Beine kommen.«
    Kurz zögerte sie, ließ sich dann aber doch auf einem der Plastikstühle nieder, mit einem Stuhl Abstand zu ihm.
    »Für Sie keinen Kaffee?«, fragte Sippmeyer. Er saß zurückgelehnt und hatte die Augen geschlossen.
    »Ich weiß ja, wie er schmeckt.« Sie nahm die Wasserflasche aus ihrem Rucksack, schraubte sie auf und trank. Viel trinken, drei Liter täglich. Das half gegen fast alles. Ob es gegen Hormone half? Den Ärger mit Reimann hätte sie nicht, wenn sie eine Flasche Wasser getrunken hätte, statt ihn … Egal.
    »Sie sollten dringend in eine neue Kaffeemaschine investieren, sonst bleiben Ihnen bald die Besucher aus.« Sippmeyer hielt die Augen immer noch geschlossen, aber das Leben war in sein Gesicht zurückgekehrt.
    »Ich entschuldige mich im Namen der Rechtsmedizin für die schlechte Bewirtung. Es wird Sie vielleicht verwundern, doch wir sind hier nicht auf Besucher eingestellt. Normalerweise lassen wir keine Angehörigen hier rein.«
    »Ich dachte, diese Identifizierung gehört zum Standardprogramm«, sagte Sippmeyer.
    »Nur im Fernsehen. Wir regeln das normalerweise über die Haus- und Zahnärzte. Aber in einem Fall wie diesem, wenn wir eine Leiche ohne Papiere haben und gleichzeitig eine aktuelle Vermisstensache, dann wollen wir natürlich keine Zeit verlieren. Da Ihre Frau noch nicht gefunden wurde, müssen wir jetzt in verschiedene Richtungen ermitteln.«
    »Natürlich«, sagte er. Dann öffnete er die Augen, und etwas geschah.
    Hatten die Moleküle um ihn herum die Drehzahl geändert? War etwas im Kaffee gewesen? Er sah anders aus als vorher. Er war weder der besorgte, verwirrte Schönling im Wohnzimmer noch der kollabierende Patient. Er war …
    Eine Epiphanie, dachte Elena. Er hatte eine Erscheinung gehabt.
    Sippmeyer musste etwas erfahren haben. Er wirkte plötzlich wie erleuchtet. Wann war das geschehen? Was hatte er gesehen? Und vor allem: wo? In den spiegelglatten Kacheln des Präparationssaals? Im Totengesicht der fremden Frau? Im Kaffeesatz?
    »Was ist los?«, fragte sie. Ihre Stimme klang leise und dunkel aus Angst, ihn zu stören.
    »Was?«
    »Woran denken Sie gerade?«
    »Ich? Oh …« Er blinzelte überrascht, richtete sich auf und versuchte ein Lächeln.
    »Ihr Gesichtsausdruck hat sich verändert. Ich wüsste gern, warum.«
    Als er sich ihr voll zuwandte, zeigte er wieder sein Siegergesicht, dasselbe wie auf den Fotos. »Ich dachte, meine Frau sei tot, und jetzt habe ich wieder Hoffnung. Danke für den Kaffee. Bitte … Finden Sie meine Frau.« Sein Ton hatte etwas Endgültiges, Abschließendes, als wolle er das Gespräch in eine neutrale Richtung lenken.
    Elena nickte. »Wir tun unser Bestes. Jetzt warten wir erst mal ab, was die Spurensicherung gefunden hat. Das dauert immer ein bisschen, die Kollegen arbeiten sehr gründlich.«
    Sippmeyer nickte nur.
    Elena griff nach ihrem Rucksack. »Das war es dann für heute, Herr Sippmeyer«, sagte sie und lächelte ihn an. »Wir informieren Sie, sobald wir etwas Neues wissen. Rufen Sie doch inzwischen bitte alle Bekannten und Verwandten Ihrer Frau an, vielleicht hat jemand etwas von ihr gehört.« Ihrer Stimme merkte man an, für wie unwahrscheinlich sie das hielt, aber vermutlich war jede Art der Mithilfe besser, als nur dazusitzen.
    »Ach, noch etwas«, sagte sie und drehte sich noch einmal zu ihm um. »Kennen Sie eine Romina Schleheck?«
    »Romina

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