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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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Vormieters klebten, wirkte er irgendwie deplaziert.
    Pfade aus Pappe zogen sich über den Boden, und etwas ratlos folgte Jan dem Mann ins Wohnzimmer. In der Ecke unter dem großen Fenster hätte das rote Sofa stehen sollen. Der Fernseher passte genau in die Nische zwischen Wand und Balkontür. Bald würde er hier seinen Feierabend verbringen. Unvorstellbar.
    Er musste aufhören, über sich selbst nachzudenken. Wenn er sich nicht bald auf seinen Job konzentrierte, würde es Ärger geben. Lohse, der Leiter der Mordkommission, war im Moment auf mindestens einem Auge blind, umso wichtiger war es, dass der Rest des Teams funktionierte.
    Sein Besuch gestern bei der Künstlerin war Murks gewesen, das wusste er. Es brauchte keinen Kriminalhauptkommissar, um sich eine Zeugenaussage bestätigen zu lassen. Bei einer Leiche und einer Vermisstensache mussten sie effektiver arbeiten, sonst würde man Verstärkung anfordern, und das sähe gar nicht gut aus. Ganz und gar nicht.
    Er würde im Laufe des Tages noch einmal bei Romina Schleheck vorbeifahren. Am besten ohne Elena. Denn ihren scharfen Augen würde nicht entgehen, dass er gestern kaum mehr als einen Formbesuch abgestattet hatte. Wenn stimmte, was Edith berichtet hatte, war Romina Schleheck eine dringende Tatverdächtige. Dazu die Aussage der Haushälterin …
    Ein Räuspern des Handwerkers riss Jan aus seinen Gedanken. »Gibt’s was Bestimmtes?«
    »Nein, ich wollte nur einmal nach dem Rechten sehen.«
    Ein Brummen war die Antwort.
    Wahrscheinlich fühlte der Kerl sich jetzt kontrolliert, aber das konnte er auch nicht ändern. Es war ja wohl sein gutes Recht, nach seiner zukünftigen Wohnung zu sehen – wenn es nur endlich etwas zu sehen gäbe. Die Wände wirkten scheußlich ohne Farbe oder Tapete.
    »Macht man nicht normalerweise zuerst die Wände?«, erkundigte er sich.
    »Kommt drauf an.«
    »Worauf denn?«
    »Ich habe das alles mit Ihrer Frau besprochen«, sagte der Mann und kniff argwöhnisch die Augen zusammen, während er seine Kippe in eine Dose plumpsen ließ. »Die hat gesagt, ich soll es so rum machen. Fragen Sie die doch, warum ich erst den Teppich verlegen sollte.«
    »Natürlich. Ab jetzt wenden Sie sich bitte nur noch an mich. Die Nummer haben Sie ja.«
    »Ich mache dann jetzt Frühstückspause. Nachher sind die Kacheln im Bad dran.«
    »In Ordnung.« Frühstückspause, dachte Jan. Um halb zehn. Der hat es gut.
    Als sich die Wohnungstür endlich hinter dem Mann geschlossen hatte, zog Jan seine Jacke aus und betrat in Strümpfen den neuen Teppich. Der Fernseher war zwar noch nicht da, aber hier würde er sitzen.
    Der Teppich war weich. Er beugte sich vor, um zu sehen, wie das Licht sich brach, wie das Silbergrau in Anthrazit umschlug und dazwischen alle Schattierungen von Grau aufleuchten ließ.
    Plötzlich erschien ihm der Effekt billig, stumpf, tot. Wie hatte er einen Teppich mit einer lebendigen, warmen Katze vergleichen können?
    Vielleicht sollte er sich eine Katze zulegen. Selbst diese seltsame Künstlerin hatte eine Katze. Nicoletta hatte keine Katze gewollt, weil sie allergisch war. Jetzt spräche nichts mehr dagegen. Dann wäre er nicht so allein, hier in dieser fremden Wohnung.
    Er zog sein Handy aus der Hosentasche. Zwei entgangene Anrufe von Clara, wieder mal. Kein Anruf von Nicoletta, natürlich nicht. Er hatte es auch nicht wirklich erwartet, aber jetzt und hier wünschte er, dass sie sich meldete. Sie hatte gesagt, dass sie ihn vorerst weder sehen noch sprechen wollte. Er hatte eingewilligt, sie in Ruhe zu lassen. Es fiel ihm nicht schwer, denn was hätte er ihr sagen sollen? Dass es ihm leidtat?
    Nach kurzem Zögern wählte er Claras Nummer. Seine Freude darüber, ihre Stimme zu hören, währte nur kurz, denn sie polterte gleich los.
    »Endlich rufst du an, Jan, was war denn los mit dir? Ich hab es andauernd versucht! Jetzt sag mir endlich mal, was passiert ist.«
    »Gar nichts ist los.«
    »Erzähl keinen Scheiß! Ich dachte eh die ganze Zeit, ihr passt nicht zusammen. Als ihr die Hochzeit abgesagt habt, war ich erleichtert, ganz ehrlich. Aber jetzt rennst du herum wie ein liebeskranker Teenager, rufst mich ständig an und jammerst rum, und dann bist du auch noch bei Oma untergekrochen … Ganz ehrlich, Jan, das ist nicht normal!«
    Normal war das falsche Stichwort, und er schloss für einen Moment die Augen, als habe das Wort ihn geblendet. »Was ist schon normal?«, hörte er sich sagen.
    »Kann ich dir gern bei Gelegenheit erklären,

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