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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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Nur eine Idiotin würde mir glauben.
    Sie drückte die Spülung und wartete noch einige Sekunden, ehe sie die Tür öffnete. Cecilia stand direkt vor der Tür, als befürchte sie, Edith könne noch einmal versuchen, in die Schlafzimmer der Herrschaften vorzudringen.
    Mit eisigem Blick dirigierte sie die alte Dame zur Tür und schloss sie hinter ihr mit einem demonstrativen Knall.
    Ein Reinfall, dachte Edith. Mit wackligen Schritten ging sie die Straße entlang. Sie würde das erste Taxi anhalten, egal, was es kostete.
    Sie hatte nichts wirklich Wichtiges herausgefunden, und wenn Cecilia im Kirchenchor erzählte, wie sie sich scheinheilig in das Haus des Verbrechens geschlichen und dann herumgeschnüffelt hatte, würden die anderen Damen empört sein.
    Allerdings hatte sie einen Eindruck von Margit gewinnen können. Eine Frau, die Bestseller und Biographien las. Und vor allem: die sämtliche Bände von Donna Leon besaß. Gebunden. Das musste etwas zu bedeuten haben!
    Edith hielt einen Moment inne, dann nickte sie nachdenklich.
    Sie wusste auch, was.
    *
    »So ein kleines Arschloch«, sagte Elena. »So ein dreckiges, kleines Arschloch.«
    Jan hörte ihre entgeisterte Stimme schon, ehe er den Raum betrat. Im ersten Moment dachte er, sie rede von ihm.
    Er war einige Minuten zu spät für die morgendliche Besprechung dran, aber es waren noch ein paar Stühle leer. Also trat er als Erstes zur Kaffeemaschine, stellte einen Becher darunter und legte ein neues Pad ein. Die dunkelbraune Flüssigkeit schoss zischend in seinen Becher. Noch lauter jedoch zischte Elena.
    »Fast geheult hat er. Und dieser zerknirschte Blick …«
    »Worum geht’s?«, fragte er und setzte sich neben sie. Das war sein Platz. Weil Lohse der irrigen Überzeugung war, seine beiden Hauptkommissare ergänzten einander so prächtig, mussten sie ständig zusammensitzen und alle Ermittlungsergebnisse gemeinsam vortragen. Und je mehr er und Elena sich dagegen sträubten, umso überzeugter war der Leiter der Mordkommission, dass sie einander wunderbar ergänzten. Doch Lohse irrte sich. Er irrte sich ständig und manchmal gravierender als in der Einschätzung seines Teams. Das lag daran, dass seine einzige Tochter einen Schläger geheiratet hatte und neuerdings alle paar Tage bei ihren Eltern Sturm klingelte, einige Male war sie sogar im Präsidium aufgetaucht, voller blauer Flecke und lallend. Seitdem war mindestens die Hälfte von Lohses Aufmerksamkeit auf sein Handy gerichtet und die Spekulation darüber, was seine Melanie wohl gerade durchmachte.
    »Sippmeyer«, sagte Elena. »Der arme trauernde Ehemann. Er hat ein Verhältnis mit unserer Künstlerin, und das seit mindestens zwei Jahren. Der Rentner, der in dem Haus neben ihr wohnt, konnte es kaum erwarten, alle möglichen Details auszuplaudern.«
    »Und warum ist er jetzt ein Arschloch?«
    »So etwas«, erwiderte Elena und schoss einen vernichtenden Blick auf ihn ab, »kann nur ein Mann fragen. Wenn ich daran denke, wie der sich aufgeführt hat! Beinahe umgekippt ist der mir! Ganz der treusorgende Gatte.«
    Kurz überlegte Jan, ob die überzogenen Sprüche seiner Kollegin überhaupt eine Reaktion verdient hatten. »Haben denn nur treue Ehemänner das Recht, sich um ihre verschwundenen Frauen zu sorgen?«
    »Wenn wir dann so weit wären«, dröhnte Lohses Bass durch den Raum, und Elena verstummte. Die Stimme in Jans Kopf aber nicht.
    Was, wenn es ganz anders war, als es aussah?, wollte er fragen. Nicht alle betrügenden Ehemänner waren so, wie Elena sich das in ihrer kleinkarierten lila Feministinnen-Welt zurechtbastelte. Manchmal war es anders. Ganz anders.
    Es ist nicht so, wie es aussieht. Wie viele Leute hatten diese Worte schon gerufen, mit zitternden Stimmen, mit empörten, in wilder Panik? Zu viele. Viel zu viele. Diese Worte waren zu einem Klischee erstarrt, egal, ob sie die Wahrheit beschrieben oder nicht. Man konnte nichts mehr damit ausdrücken als den unbeholfenen Schmerz über die Niederlage, in flagranti ertappt worden zu sein. In dem Moment, in dem Jan diese furchtbar billigen Worte gerufen hatte, seine schreckgeweiteten Augen auf Nicoletta gerichtet, die wie eine Rachegöttin in der Tür stand und mit dem Zeigefinger auf die nackte Frau neben ihm deutete, in diesem Augenblick bereute er sie schon. Weil es abgeschmackte, nutzlose Worte waren. Weil er bereits wusste, dass Worte ihm nicht mehr helfen würden.
    Danach war alles ganz schnell gegangen. Die zwei Tage schrumpften in seiner

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