Nibelungenmord
glaube, dazu kann ich Ihnen wirklich nichts sagen.«
*
Es war stockdunkel, als Romina in die pappelumsäumte Villa einbrach. Der Kies der Einfahrt knirschte unter ihren Füßen, und in ihren angestrengt gespitzten Ohren vervielfachte das Geräusch seine Lautstärke.
Sie war nicht oft hier gewesen. Anfangs einige Male zusammen mit Michael, später dann, nachdem es zu den unerfreulichen Begegnungen mit Margit gekommen war, nur noch heimlich. Sie besaß seit zwei Jahren einen Nachschlüssel, den sie heimlich hatte anfertigen lassen. Oft hatte sie ihn noch nicht gebraucht. Bisher war sie nur gekommen, wenn sie Michael in weiter Ferne wusste und sicher war, dass die Haushälterin nicht da war. Vor Michaels Sohn hatte sie keine Angst. Der lag ohnehin immer zugedröhnt in seinem verschlossenen Zimmer, die Anlage laut aufgedreht, so dass dumpfe Bässe durch das ganze Haus waberten. Michael hatte ihr kummervoll anvertraut, dass Sven weder an gemeinsamen Mahlzeiten teilnahm noch sich im Wohnzimmer aufhielt, und selbst wenn sie das nicht gewusst hätte, hatte ihr eine flüchtige Begegnung mit dem Jungen gezeigt, dass ihm alles egal war, was um ihn herum passierte.
Diesmal aber war alles anders. Angestrengt horchte Romina in die Dunkelheit, als sie in dem riesigen Flur stand. War da etwas gewesen?
Ein Geräusch bei der Treppe.
Blitzschnell verschwand Romina in der Küche und verbarg sich hinter der angelehnten Tür. Ihr Herz hämmerte. Sie wartete zur Sicherheit zehn Minuten, ehe sie ihre Wanderung durch das Haus wieder aufnahm.
Erst als sie schon gehen wollte, knarrte eine Tür.
Romina lauschte mit angehaltenem Atem. Nichts.
Da war niemand.
Beinahe wäre ihr vor Erleichterung ein Seufzer entwischt.
Sie hatte gefunden, was sie brauchte. Lautlos öffnete sie die Haustür. Wenige Sekunden später fiel diese mit einem Knacken ins Schloss, so deutlich wahrnehmbar, dass es bis ins Schlafzimmer von Michael drang. Er saß aufrecht im Bett, und seine Ohren schmerzten beinahe vom angestrengten Lauschen. Das Geräusch der Tür war wie eine Erlösung. Ja, tatsächlich, da war etwas. Er hatte sich nicht getäuscht.
Schnell war er am Fenster, sah auf die mondbeschienene Einfahrt und auf die Fußspuren im Beet, die sich zu den vorherigen gesellt hatten.
Ihren Urheber sah er nicht. Den hatte längst das Dunkel der Bäume verschluckt.
Der dritte Tag
Zesamene dô gesâzen die küneginne rîch.
si gedâhten zweier recken, die wâren lobelîch.
dô sprach diu schœne Kriemhilt: ich hân einen man,
daz elliu disiu rîche ze sînen handen solden stân.
Du ziuhest dich zu hôhe, sprach des küneges wîp.
nu will ich sehen gerne, ob man den dînen lîp.
habe ze solhen êren sô man den mînen tuot
die frouwen wurden beide vil sêre zórnéc gemuot.
Die beiden mächtigen Königinnen saßen friedlich beieinander,
sie dachten an ihre zwei ruhmreichen Recken.
Da sagte die schöne Kriemhild: »Mein Mann ist so überragend,
dass alle diese Reiche eigentlich in seiner Hand sein müssten.«
»Du stellst dich zu hoch!«, sagte Brünhild, die Gemahlin des Königs.
»Nun möchte ich doch mal sehen,
ob man dich so sehr ehrt wie mich.«
Da wurden beide Frauen sehr zornig.
J an hasste diesen Geruch. Es hasste das desinfizierte Linoleum und die schlechten Drucke in Kunststoffrahmen, die krampfhaft versuchten, ein bisschen falsche Fröhlichkeit zu verbreiten.
Am meisten hasste er es, Edith hier zu wissen. Sie hatte geschlafen, als er vorsichtig die Tür geöffnet hatte, und die Schwester hatte ihn gleich verscheucht wie ein störendes Insekt. Deswegen fühlte er sich jetzt so schlecht. Wäre sie wach gewesen und hätte von ihrer Schnüffelei im Hause der Sippmeyers berichtet und seinem Bericht über den Besuch in der Kunsthalle gelauscht, dann hätte er jetzt nicht diese Enge im Hals, diese Angst, die ihm die Luft abschnürte.
Der Arzt war groß und schlaksig, und seine flatternden Handbewegungen und der umherirrende Blick verrieten Jan, dass er eigentlich etwas anderes zu tun hatte, als Auskunft über Ediths Gesundheitszustand zu geben.
»Es geht ihr gut, das haben ich Ihnen doch vorhin schon gesagt«, meinte er mit einem Lächeln, das wohl aufmunternd wirken sollte.
»Sie sieht aber nicht so aus, als ob es ihr gutgeht«, entgegnete Jan. »Ich wollte gerade zu ihr, und da sah sie beinahe schlechter aus als gestern.«
»Sie sollten Frau Herzberger schlafen lassen, damit helfen Sie ihr am meisten. Kommen Sie einfach später wieder, wenn
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