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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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Ich habe selten von einer Künstlerin gehört, die sich so ungeschickt verhalten hat. Es schien fast so, als ob sie mit aller Gewalt die Erwartungen ihrer Kritiker enttäuschen wollte. Und dann ihre Hände …«
    »Was ist mit ihren Händen?«
    »Ja«, sagte die Kuratorin und entblößte widerwillig ihre schiefen Zähne. »Das fragen wir uns alle. Eine Lähmung? Ein Unfall? Es gab allerlei Gerüchte, die allerdings nie bestätigt wurden.«
    Aha, dachte Jan. Kein Wunder, dass der Museumsdirektor misstrauisch wurde. Wenn jemand wie aus heiterem Himmel plötzlich wieder malen konnte …
    »Und wie kam es jetzt zu dem Kontakt?«
    »Sie muss von der Ausstellung gehört haben, denn plötzlich lag ein Brief von ihr auf meinem Tisch. Seit einiger Zeit lebt sie in der Gegend und beschäftigt sich intensiv mit dem Nibelungenmythos. Sie beendet gerade einen Zyklus, der gut in unser Konzept passen würde.«
    »Wie malt sie denn?«, fragte Jan, während er überlegte, was eigentlich genau der Unterschied zwischen Mythos und Legende war. Bestimmt wusste die Kuratorin es selbst nicht, aber er war sicher, wenn er fragen würde, bekäme er eine blasierte Antwort. »Könnten Sie das beschreiben?«
    »Gut«, erwiderte die Kuratorin, beugte sich vor und zerdrückte die Zigarette so angestrengt in ihrem silbernen Aschenbecher, dass Asche an ihren violetten Fingernägeln haften blieb. Versonnen betrachtete sie die und pustete einmal darüber.
    »Gut«, wiederholte Jan gedehnt. »Geht das etwas deutlicher? Kann ich etwas von den Sachen sehen?« Wenn dieses Nibelungenzeug so aussah wie die Bilder im Atelier, würde er bei Ausstellungseröffnung einen wütenden Brief an den Generalanzeiger schreiben über den unverantwortlichen Umgang mit Steuermitteln.
    »Die Auswahl ist noch nicht beendet, und bis zum Abschluss des Auswahlverfahrens sind alle Informationen über unsere potenziellen Aussteller vertraulich. Stellen Sie sich vor, was los wäre, wenn Einzelheiten vorher durchsickern würden!«
    Jan gab sich Mühe, sich genau das vorzustellen, und konnte beim besten Willen nicht erkennen, was daran so brisant sein sollte. Das war wieder einmal die Wichtigtuerei der Kulturschaffenden. Er kannte das von seiner Mutter zur Genüge. »Ich habe mich nur gefragt, ob Sie mir vielleicht eine Kopie zeigen können.«
    Gernhart unterdrückte ein Lächeln. »Die Bilder von Romina Schleheck kann man nicht kopieren.« Die Überheblichkeit in ihrem Blick war unerträglich.
    »Haben Sie ein Original?«
    »Nein, natürlich nicht. Es wurde schließlich noch nichts entschieden.«
    »Aber?«
    »Wir haben natürlich Fotos der großformatigen Arbeiten.«
    »Dann würde ich die gerne sehen.«
    »Das geht nicht.«
    »Frau Gernhart, es geht hier um polizeiliche Ermittlungen in einem Mordfall.«
    Sie lächelte ihn an, als sei sie höchst amüsiert. »Und wir haben hier ein Museum, das wir verantwortungsvoll verwalten müssen. Wenn ich Ihnen sage, die Angelegenheit ist vertraulich, dann ist das so.«
    Jan stand auf, reckte sich zu voller Größe. »Mir scheint, Sie schätzen hier einiges falsch ein, Frau Gernhart.«
    »Das kann sein«, entgegnete sie eisig. »Dann besorgen Sie mir die entsprechenden Beschlüsse vom Leiter der Mordkommission. Und, bitte, wenden Sie sich direkt an den Museumsleiter. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden? Ich habe zu arbeiten.«
    Als Jan wenig später über den Museumsvorplatz zu seinem Auto lief, spürte er bei jedem Schritt, wie er vor Wut vibrierte. Angelika Gernhart nahm sich und ihre Ausstellung ganz schön wichtig. Und er fragte sich, ob sie ihn mit dem Getue um die Bilder nur hatte ärgern oder aber von etwas anderem hatte ablenken wollen.
    *
    Dass für Anita Lärch Kinder über alles gingen, erkannte Elena schon am Vorgarten des kleinen zweistöckigen Reihenhauses. Möglicherweise waren in den Rabatten früher einmal Blumen gewachsen. Jetzt verriet ein improvisierter Parkplatz, wer der Herr im Hause war. Bobby-Cars verschiedener Farben, mindestens drei Roller und grellbunte Kinderfahrräder.
    An der Tür jauchzte ein selbstgetöpfertes Schild: »Wir sind die Lärchs!«
    Die Frau, die Elena die Tür öffnete, sah allerdings nicht ganz so fröhlich aus. Sie war mittelgroß und mittelblond, die grauen Schatten um ihre Augen herum zeugten von Schlafmangel.
    »Eine furchtbare Sache«, sagte sie, während sie mit dem Ärmel Buntstifte und Plastikspielzeug beiseiteschob, um Platz für zwei Teebecher zu schaffen. »Bitte, setzen Sie

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