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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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zurückgezogen. Dann bekam ich das Notariat in Königswinter, und so konnten wir zum Glück wegziehen. Das war alles.«
    Elena spürte seinen Worten nach, unschlüssig, ob sie ihnen Glauben schenken sollte.
    »Hier habe ich aufgepasst wie ein Luchs«, fuhr Sippmeyer fort. »Fünfzehn Jahre ging es gut, auch wenn ich in ständiger Angst war, es könnte etwas vorfallen. Eine solche Anzeige, selbst wenn sie zurückgezogen wird, haftet einem an wie Pech. Aber es schien gutzugehen, und dann traf ich Romina, und alle Vorsicht war für die Katz. Ich konnte mich nicht wehren. Doch ich war sehr diskret, sehr vorsichtig. Niemand hat etwas gemerkt.«
    »Aha«, sagte Elena und schüttelte innerlich den Kopf darüber, dass Sippmeyer tatsächlich glaubte, er habe die Affäre geheim halten können. Männer waren so naiv! »Und jetzt scheint es Ihnen plötzlich egal zu sein, wenn ich das richtig verstanden habe. Sie machen kein Hehl mehr aus Ihrer Affäre.«
    »Durch diese furchtbaren Morde ist mir einiges klargeworden«, fuhr Sippmeyer fort, und sie war nicht sicher, ob er ihren Einwand überhaupt gehört hatte. Sie stockte. »Morde? Soweit ich weiß, haben wir bislang nur eine Leiche gefunden.«
    Sippmeyer sah durch sie hindurch und sprach weiter. »Als diese grauenvolle Leiche vor mir lag, die jeder hätte sein können, ich oder meine Frau oder Romina oder mein Sohn … Da begriff ich. Das Leben ist so kurz. Jeder hat das Recht, glücklich zu sein, auch ich. Und auch für Sven …« Seine Stimme verlor sich etwas, als er an seinen Sohn dachte. Sein breiter Rücken zuckte, als er aus dem Fenster sah, und Elena fragte sich, was er da draußen betrachtete. Den Drachenfels, an dessen Fuß die Leiche gefunden worden war? Oder etwas ganz anderes?
    »Bedeutet das, Sie machen sich jetzt weniger Sorgen um die Meinung anderer als in den Jahren zuvor?«, fragte sie betont sachlich.
    Michael drehte sich zu ihr um, und sie taxierte so kühl wie möglich seine körperliche Erscheinung und die Anziehungskraft, die von ihm ausging und die wenigstens einen Teil seiner Worte zu bestätigen schien. War er tatsächlich unschuldig an dem Schlamassel, den er anrichtete? Verschwommen dachte sie an den Bericht, den sie über dieses Gespräch schreiben musste, und ob dieser sich lesen würde wie das hormonell gestörte Geschreibsel einer frustrierten … Nein, dachte sie. Ganz sachlich. Nur seine Worte. Die werden ihn als das Arschloch zeigen, das er ist. Zum ersten Mal wünschte sie Reimann oder Jan herbei. Wie wirkte ein Mann wie Michael Sippmeyer wohl auf Jan? Wirkte er am Ende so wie auf sie? Manchmal hielt sie ihren Kollegen für schwul mit seinem Getue und den schicken Hemden. Und dieses Auto …
    »Sie haben recht, ich mache mir jetzt keine Sorgen mehr um das, was die Leute denken. Vielleicht wird es mich meinen Job kosten, vielleicht auch nicht«, sagte Sippmeyer und hob die prächtigen Arme. »Et kütt, wie et kütt, sagt man da wohl.«
    »Interessant.« Elena schoss einen Eisblick ab. »Da kommt mir doch der Gedanke, inwiefern Sie diese plötzliche Freiheit Ihrer Partnerwahl dem zu erwartenden Erbe verdanken. Das soll ja ganz beträchtlich sein, hört man.«
    Und mit dem befriedigenden Gefühl, das letzte Wort gehabt zu haben, floh sie aus der Kanzlei.
    Sie war erleichtert, als sie in ihrem Auto saß, weit weg von Michael Sippmeyer. Zumindest wusste sie nun, dass er mit dem, was er über seine Wirkung auf Frauen gesagt hatte, nicht übertrieben hatte. Der Gedanke daran beschäftigte sie während der gesamten Fahrt zum Revier.
    Erst als sie dort angekommen war, fiel ihr ein, dass sie die eigentlich wichtigen Fragen gar nicht gestellt hatte: die nach seinem Verbleib zum Zeitpunkt von Valerie Kollers Tod und dem Verschwinden seiner Frau. Hatte sie überhaupt nach Valerie Koller gefragt? Warum hatte sie das bloß vergessen? Sie dachte an seine breiten Schultern unter dem weichen Stoff und knallte wütend die Autotür zu.
    Sie wusste, warum.
    Scheißmänner!
    *
    Die freundliche, blonde Bedienung trat zu dem Tisch am Fenster, auf dem Tablett zwei langstielige Gläser, und lächelte so nett wie immer.
    »Zwei Sherry für Sie?«
    Die Frage war berechtigt. Zwar saßen Edith und Herta öfter im Café Dix, aber normalerweise aßen sie Torte. Alkohol hatten sie noch nie getrunken, vor allem nicht um die Mittagszeit.
    Und vor allem nicht, fügte Edith in Gedanken hinzu, wenn sie frisch aus dem Krankenhaus kam und es gerade einmal bis hierher geschafft

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