Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
Vom Netzwerk:
kein einziger Lichtstrahl zu dringen schien.
    Er wusste nicht, was sie wusste. Dass dies ihre letzte gemeinsame Mahlzeit sein würde.
    »Greif zu«, sagte sie und hob ihr Glas.
    *
    Das Mittagessen in der Kantine war heute besonders grauenhaft gewesen. Draußen war es kalt. Ein frostig blauer Himmel schien mit jeder Minute ein wenig an Farbe zu verlieren.
    Inzwischen war der Fiat von Valerie Koller auf einem Parkplatz im Gewerbegebiet gefunden worden, wo ihn der Täter offenbar abgestellt hatte. Mantel und Handtasche hatten auf dem Rücksitz gelegen, dazu das Halstuch, mit dem Valerie vermutlich gewürgt worden war. Die KTU war unterwegs. Was auch immer sie finden würden, es würde dauern.
    Und dann war noch der Obduktionsbericht gekommen, während Jan im Krankenhaus gewesen war. Ein ordentlicher Stoß Papier lag auf seinem Tisch, aber wie immer griff er lieber gleich zum Telefon und rief Frenze an.
    »Es hat sich bestätigt, was wir vermutet haben«, sagte Frenze. Er sagte immer »wir«, wenn er sich meinte, und Jan fragte sich nicht zum ersten Mal, ob das ein majestätischer Plural war oder der Versuch, die Kriminalpolizei mit einzubeziehen.
    »Die Frau wurde mit dem Halstuch gedrosselt, das ihr nachgeliefert habt, die Faserspuren stimmen überein. Wahrscheinlich war es ihr eigenes. Sie war möglicherweise bewusstlos, auf jeden Fall war die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn unterbrochen. Dann hat ihr der Täter mit einem schweren Gegenstand die Schläfenknochen eingeschlagen. Er hat viermal zugeschlagen, ich schätze, jeder einzelne dieser Treffer wäre tödlich gewesen, aber nicht sofort. Vermutlich war sie ziemlich schnell bewusstlos. Vorher hat sie sich einige Meter in die Höhle bewegt. Fundort gleich Tatort, oder, präziser, Fundort in der Höhle, Tatort anderthalb Meter weiter vor der Höhle.«
    »Was wissen wir über die Tatwaffe?« Jan übernahm Frenzes Plural.
    Frenze seufzte durchs Telefon. »Halb scharfe Gewalteinwirkung. Die Oberhaut ist teilweise gerissen, im Schädel haben wir aber deutliche winklige Verletzungen in einem sich wiederholenden Muster …«
    »Frenze«, mahnte Jan.
    Frenze lachte, und man hörte ihm an, wie sehr er sich darüber freute, dass Jan ihm nicht folgen konnte. »Ich tippe auf ein Werkzeug. Es könnte ein eigenartig geformter Hammer sein oder ein anderes Werkzeug, wenn Sie mir was vorlegen, weiß ich mehr. Der Täter hat Schwung geholt.«
    »Täter? Täterin?«, fragte Jan und dachte an die Schleheck.
    »Der Schläfenknochen ist dünn, dazu braucht es nicht viel Kraft bei einem geeigneten Werkzeug. Vor allem, wenn das Opfer vorher gedrosselt worden ist.«
    Jan bedankte sich und wandte sich dann nachdenklich seinem Schreibtisch zu. Er blätterte ziellos durch den Bericht, als Elena hereinkam.
    »Was denkst du?«, fragte sie.
    »Der Obduktionsbericht.«
    Elena hob die Achseln. »Und?«
    »Keine Abwehrverletzungen.«
    »Nein. Ist auch nicht verwunderlich. Offenbar hat sie den Täter gekannt und mit ihm etwas in der Höhle suchen oder holen wollen, gefunden haben wir allerdings nichts. Wenn sie keinen Angriff erwartete und von hinten gewürgt wurde, hatte sie praktisch keine Chance, selbst wenn der Täter nicht besonders stark war.«
    »Oder die Täterin«, sagte Jan und dachte an Romina Schlehecks vor Hass verzerrte Fratze auf den Bildern im Atelier.
    »Oder die Täterin, ja, von mir aus. Wir haben viele biologische Spuren an der Kleidung sichern können.«
    »Die entweder von den Mitgliedern ihrer Familie stammen können oder von einigen der etwa hundert Schüler, mit denen sie an dem Vormittag Kontakt hatte, oder von einem der Lehrer.«
    »So ist es, ja.« Elena legte den Bericht beiseite und runzelte die Stirn.
    »Was ist mit den Schülern?«
    »Bisher gar nichts. Diese Direktorin hat mich zu einer angeblichen Freundin geschickt, die aber auch nichts zu berichten hatte außer Schülergeschichten und wie entsetzt sie ist.«
    »Wir brauchen die Schüler. Bei ein paar hundert Schülern muss jemand was gesehen haben, zumindest könnten wir dann genauer eingrenzen, wann sie die Schule verlassen hat. Ruf die Direktorin noch mal an, sie soll allen Schülern, die die Koller an dem Morgen gesehen haben, freigeben und sie zu uns schicken.«
    Elena machte sich eine Notiz.
    »Ich hab was, Leute!«, rief es von der Tür. Nina Treibel strahlte über das ganze sommersprossige Gesicht.
    »Ach ja?«
    »Valerie Kollers zuletzt gewählte Rufnummer! Das war nämlich gar nicht ihr Mann, sondern Michael

Weitere Kostenlose Bücher