Niccolòs Aufstieg
vorwurfsvolles Gesicht erkennen. »Jetzt kann ich die Liste nicht lesen.«
»Welche Liste?« fragte der Arzt barsch. Dann fiel es ihm natürlich wieder ein.
Claes öffnete bereits seine Geldtasche, in der etwas silbern schimmerte. »Hast du um Geld gespielt?« fuhr Tobias ihn erneut an.
»Das macht es interessanter. Sie hätten mich ohnehin gewinnen lassen.« Er hielt eine Liste in der Hand. »Zweite Spalte …«
»Zweite Spalte von links, dritter Name von oben«, sagte Tobias. »So war es jedenfalls gestern abend, nicht wahr? Aber laß dich von mir nicht aufhalten. Ich gehe in den Gasthof zurück.«
»Ich auch, aber nicht gleich. Dort können wir nicht reden. Dritter Name von oben. Es ist eine Apotheke in der Nähe von Santa Maria della Scala. Gleich um die Ecke.«
»Ich habe nichts zu bereden. Ich kann dir sofort und auf der Stelle sagen, daß ich nichts damit zu tun habe.«
Claes wirkte erleichtert. »Das hatte ich gehofft. Ich habe nichts gegen Euren Onkel, aber ich habe ihm erklärt, daß ich keinen Partner brauche. Jetzt müssen wir nur noch überlegen, wie Ihr aus der Sache herauskommt.«
»Ich habe nichts damit zu tun«, sagte Tobias ein zweites Mal.
»Natürlich nicht. Wir müssen nur entscheiden, wie wir die Leute davon überzeugen wollen. Es wird keine fünf Minuten dauern, und dann braucht Ihr nie mehr an Alaun zu denken.«
Alaun. Na ja, fünf Minuten war es wert, wenn so dieser Unsinn aus der Welt geschafft würde.
Die Apotheke war natürlich geschlossen und dunkel. Tobias trat angespannt etwas zurück, als Claes ein paarmal leise klopfte und die Tür sich schließlich unter lautem Gerassel und Scharren von Riegeln einen Spaltbreit öffnete. Der Mann, der sie einließ, hielt eine Kerze in der Hand und war anscheinend allein. Hinten im Raum standen ein Rollbett, das in der Mitte durchgelegen war, und ein Tisch, auf dem ein großes Stück Brot und Oliven lagen. Viele Geschäfte setzten des Nachts einen Lehrling als Wachhund ein.
Der Raum war weitläufiger, als es den Anschein hatte. Neben der Tür stand der Verkaufstisch des Apothekers, darauf die Waage, ein Rechenbrett und etliche Beutel mit Zählkugeln. Auf Regalen dahinter waren in Glas-, Zinn- und Tongefäßen die am häufigsten verwendeten Heilmittel und Gewürze aufgereiht. Auf einem Hocker stand ein schmutziger Mörser.
Es roch atemberaubend nach Arzneisäften, Schwefel, Salmiak, Salben und Terpentin, dazu noch nach Pfeffer und Ingwer, Zimt, Anis und Muskat, Nelken, Kreuzkümmel und Safran. Tobias roch kandierte Früchte und Farbe, Wachs und Parfüm, Essig und Rosinen. Und von irgendwoher kam auch der Geruch von Senf, Wermutöl und Seife. Tobias nieste.
»Gesundheit«, sagte Claes. Der Mann mit der Kerze führte sie in den hinteren Teil der Apotheke, und sie kamen an weiteren Regalen, einem kleinen Schrank und etlichen Ballen vorbei. Tobias nieste erneut.
»Gesundheit«, sagte Claes noch einmal. »Ist das Asthma? Euer Onkel hat die Herzogin wegen Asthma behandelt, hat er mir erzählt. Und den Papst wegen Gicht. Er sagte, der Papst nehme warme Bäder. Vielleicht solltet Ihr das auch tun. Und er sagte, der Papst habe sich von dieser schlimmen Zeit in Schottland nie mehr erholt, als seine Füße erfroren und seine Zähne auszufallen begannen. Gesundheit! Sein Haar aber nicht. Sein langes blondes, lockiges Haar hat der Papst lange behalten. Gesundheit! Ihr seid doch nicht etwa in Schottland gewesen, Meester Tobias?«
Sie kamen zu einer niedrigen Tür. Der strenge Geruch wurde noch strenger. Von der Decke hingen alle möglichen Gegenstände herab. Ein Bund Kräuter streifte Tobias’ Glatze, er duckte sich. Durch die Tür sah er ein Bett, einen Vorhang und noch ein Bett. Er machte auf dem Absatz kehrt.
Claes schob eine Hand unter Tobias’ Arm, so daß er sich wieder umdrehte. »Hier ist niemand. Wir haben eine halbe Stunde, ehe jemand kommt. Außerdem verstehen sie kein Flämisch.«
Er zog Tobias in den Raum und schlug dem Apothekergehilfen die Tür vor der Nase zu. Das Bett und eine gepolsterte Truhe, neben der eine Kerze stand, waren die einzigen Dinge im Raum auf dieser Seite des Vorhangs. Claes setzte sich mit zusammengepreßten Knien auf die Truhe. Tobias blieb stehen.
»Ehe wir darüber reden, wie ich aus der Sache rauskomme, möchte ich darüber reden, wie ich überhaupt hineingeraten bin. Wer hat meinen Onkel ins Spiel gebracht?« wollte Tobias wissen.
Claes blickte ihn aus großen Augen friedlich an. »Vermutlich der Grieche
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