Niccolòs Aufstieg
zuging.
Der Pranger war natürlich abgebaut worden, der Weber Witken hatte seine zwei Bußtage hinter sich, und auch Poppes Demütigung im Faß war offiziell beendet, obwohl er es, betrunken und von ausgelassenen Freunden begleitet, immer noch trug. Dann begannen Matrosen Taue auf den Marktplatz zu bringen für den Seiltanz, den sie mit Reifen hoch oben im Belfried darboten; einige von ihnen waren auch betrunken, doch hoffentlich weder jene, die das Seil befestigen würden, noch jene, die darauf tanzen sollten. Inzwischen waren Claes’ junge Damen schon außerordentlich aufgeregt.
Denn es war bereits einiges passiert.
Jan Adorne hatte sie verlassen. Als Student war er zwar nicht auf der Jagd nach einer Ehefrau, aber mit fünfzehn Jahren zweifellos auf der Suche nach etwas anderem als einer Gruppe kleiner Mädchen. Die kleinen Mädchen, die sich allerdings nicht als solche empfanden, nahmen das übel.
Die beiden Adorne-Töchter waren wohlerzogen und kamen gut mit Claes aus. Er unterhielt sich mit ihnen und brachte sie zum Lachen, er dachte sich alles mögliche aus und stellte sie kauzigen Leuten vor (wenn Pater Bertouche es nicht verhinderte) und ließ sie, wenn Pater Bertouche nicht hinsah, manches tun, was ihre Mutter nie erlaubt hätte. Ihnen gefielen seine Witze, und sie spürten gern seine kräftigen Hände auf ihren Rücken, wenn er sie durch die Menge bugsierte. Sie waren natürlich zu groß, um auf seinen Schultern zu sitzen, aber gelegentlich umfaßte er mit beiden Händen Katelijnes kindliche Taille und hob sie hoch, damit sie besser sehen konnte.
Wenn Claes das machte, hustete Pater Bertouche oder klopfte ihm auf die Schulter. Einerseits hustete er aus Mißbilligung, andererseits, weil er fürchterlich erkältet war. Ihm taten auch die Füße weh, und er sehnte sich ausdrücklich nach seiner gemütlichen Unterkunft im Hotel Jerusalem. Der Kaplan war daher keine große Hilfe, zumal die Charetty-Mädchen ihn gar nicht beachteten: Catherine nicht, weil sie so aufgeregt war, und Tilde nicht, weil sie Claes’ auserwählte Dame war und sich dadurch an diesem Abend von der übrigen Menschheit abhob.
Das war Claes’ Fehler. Und wie seine Dienstherrin vermutet hatte, rührte er daher, daß er sich so gut in ihre ältere Tochter hineinversetzen konnte. Tilde zu verletzen, indem er sie genau wie die anderen als Kind behandelte, kam nicht in Frage. Daher hatte er Tilde als die ältere von Felix’ Schwestern an diesem Abend an die Stelle ihrer Mutter gesetzt und zu seiner offiziellen Begleiterin erklärt. Zuerst schien das eine gute Idee zu sein. Tilde war vor Freude errötet, und er hatte die anderen Kinder unterhalten und ihr, wann immer möglich, eine ritterliche Aufmerksamkeit erwiesen, an der sie Gefallen finden konnte, ohne sie ernst nehmen zu müssen. Dann aber wurde Catherine, aufgestachelt vom Lärm und den Lichtern und all dem Neuen, immer überdrehter.
Wenn Felix einen Wutanfall bekam, entzog Claes ihn den Blicken der Öffentlichkeit und bemühte sich, seine Energien zu kanalisieren. Das war etwas schwieriger bei einem jungen Mädchen, das sich dauernd von der Hand des unglücklichen Kaplans losriß und sich in die Menge stürzte - eine Menge, die mittlerweile nicht mehr ganz so friedlich und nüchtern war und hierhin und dorthin geschubst wurde von Gruppen junger Adliger in Seidengewändern und Pelzen mit grotesken Masken, die mit ihren Dienern und Musikanten von Haus zu Haus zogen und dazu aufgelegt waren, ein unbekümmertes Kind beiseite zu fegen oder es am Arm zu packen und mitzunehmen.
Claes erwischte sie zweimal und holte sie in einem Wirbel von Geschrei und Gelächter wieder zurück. Beim zweiten Mal verpaßte Tilde ihrer Schwester eine Ohrfeige. Catherine schrie, die Hand an der Wange und mit Tränen in den Augen funkelte sie Tilde wütend an. Die Adorne-Töchter starrten die beiden pikiert an, und der Kaplan gab einen Laut des Entsetzens von sich.
»He!« rief Claes, umschloß mit seiner warmen Hand Tildes Handgelenk und legte Catherine den anderen Arm um die Schultern. Er schüttelte Tildes Handgelenk ein wenig und hob es hoch. »Sieh dir mal diese Faust an. Du machst mir angst! Wie soll ich eine Dame begleiten, die mich womöglich jeden Moment schlägt?«
Catherine kicherte. Claes wandte sich ihr zu. »Ach herrje, sieh dir mal Pater Bertouche an. Er allein kann sich nicht um alle kümmern, während ich hinter dir herrennen muß, oder? Er wird euch alle nach Hause bringen müssen, und
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