Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
Vom Netzwerk:
wünschte man sich, wenn überhaupt, bei einem Geliebten. Bei einem Ehemann darauf zu hoffen, ging zu weit.
    Sie dachte wieder an die drei Namen der möglichen Freier auf der Liste ihrer Mutter. Zwei waren die nicht mehr ganz jungen Erben bescheidener Herrensitze, der eine in der Nähe von Gent, der andere nicht weit von Kortrijk. Der dritte, und das wäre die beste Partie, war ein Angehöriger der Familie Gruuthuse, eine der ältesten und bedeutendsten in Brügge, in die Katelinas Cousine Marguerite vor vier Jahren eingeheiratet hatte. Guildolf von Gruuthuse, ein reizender Fünfzehnjähriger, hatte bereits seine Erfahrungen gemacht. Wenn sie ihn heiratete, stünden ihr zwanzig Jahre bevor, in denen sie einem vier Jahre jüngeren Ehemann Kinder gebären würde. Und es bestand wenig Aussicht, eine reiche Witwe zu werden.
    Der Gedanke durchfuhr sie, wie kurzsichtig es doch gewesen war, den so viel älteren Freier aus Schottland so heftig abzulehnen. Es gab ihr einen Stich, als sie jetzt erkannte, daß ihr Vater in dieser Angelegenheit gar nicht so gefühllos gewesen war. Und ihr wurde bewußt, daß sie endgültig kindischen Schwärmereien entwachsen war. Das wirkliche Leben war anders. Man paßte sich an, während man bestrebt war, alle nur möglichen Vorteile daraus zu ziehen.
    Sie wandte den Blick ab von dem fiebrigen Getümmel auf dem Marktplatz und begann an den bevorzugten Fenstern und Balkonen nach den Wappen lebenserfahrener Herren aus Gent und Kortrijk zu suchen sowie nach der Kanone, die das Symbol derer von Gruuthuse war.
    Marian de Charetty verbrachte den Tag mit ihren Töchtern Tilde und Catherine. Mit anderen Mitgliedern der Färberzunft, deren Frauen und Kindern hatte sie eine Zeitlang der Verteilung der Lotteriegewinne zugesehen. Als sich das Ende näherte und die Menge sich zerstreute, ließ sie sich von den Mädchen von einer Bude zur anderen schleppen und erlaubte ihnen, zu kaufen und zu essen, was sie wollten. Sie sahen sich die Zwerge an und die Stehaufmännchen und warfen Münzen in die Mütze des Mannes mit dem dressierten Hund, errieten das Gewicht eines Schweins und sahen einen Mann mit zwei Köpfen in einem Käfig, ein Mädchen mit Bart und ein Tier, das halb Pferd, halb Kuh war und eine Mähne sowie ein Euter hatte, das sogar gemolken werden konnte. Käse aus dieser Milch wurde angeboten, und Catherine wollte welchen kaufen, aber das erlaubte ihre Mutter nicht.
    Dort traf sie Lorenzo Strozzi, und da sie gerade daran dachte, fragte sie höflich, wie er den Vogel Strauß für Tommaso zu importieren plane. Während sie seine Antwort anhörte (von einem Kapitän hatte er erfahren, daß der Strauß noch in Barcelona war, und er hatte Anweisungen verschickt, ihn sofort nach Sluis zu verschiffen), fiel ihr die nervöse Spannung in dem bleichen, ernsten Gesicht auf, und sie dachte an Felix. Er war unreif, unzuverlässig und konnte einen rasend machen, aber wenigstens wirkte Felix nicht so verdrossen wie dieser junge Italiener, den die Rivalität mit seinen Verwandten in den Handelsniederlassungen der Familie Strozzi in Florenz, Neapel und Rom unter Druck setzte.
    Marian de Charetty versuchte ihren einzigen Sohn Felix zu leiten und zu erziehen, doch wenn er ihr trotzte oder sich widersetzte, wurde sie unbeherrscht. Aber war das hier eine Alternative? Lorenzos Mutter Alessandra, die nach der Verbannung und dem Tod ihres Mannes in vornehmer Armut in ihrer Heimatstadt Florenz lebte, hatte nie aufgehört, ihre drei Söhne und zwei Töchter anzutreiben.
    Ihr jüngster Sohn war tot. Filippo, der älteste und tüchtigste, hatte die beste Ausbildung erhalten und bekleidete jetzt einen ehrenvollen Posten in Neapel im Familienunternehmen des Cousins seines Vaters, Niccolò di Leonardo Strozzi, Lorenzo war aus Spanien gekommen, um für Niccolòs Bruder zu arbeiten, den Leiter des Hauses Strozzi in Brügge. Doch Alessandras Söhne, zu Stolz und Ehrgeiz erzogen, betrachteten ihre Arbeit als Knechtschaft. In Florenz verkaufte Alessandra Grundbesitz und schickte ihnen Geld und Ratschläge, während zwischen Neapel und Brügge Briefe hin- und hergingen und Lorenzo und sein Bruder sich mit Intrigen abmühten und unglücklich waren.
    Keiner von ihnen konnte nach Florenz zurückkehren, denn sie waren wie ihr Vater verbannt worden. Keiner von ihnen traf Anstalten zu heiraten, ebensowenig wie Tommaso Portinari es getan hatte. Sofern man nicht eine gute Florentiner Frau bekam, ließ man es besser bleiben. Und wenn der alte

Weitere Kostenlose Bücher