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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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eisigen Februarnacht wie Kamelienblüten oder Liliendolden und lockte mit Formen wie von Schaumgebäck oder Bergen von Zuckerzeug und kandierter Engelwurz zum Hineinbeißen.
    Heute abend trug Katelina keinen Hennin, sondern ein von gedrehten Haarsträhnen durchwirktes Netz aus feinem Goldfaden, und im Rücken einen dicken mit Bändern durchflochtenen Zopf, der ihr bis unter die Taille ihres Seidenbrokatkleids reichte. Die vierreihige Goldkette aus Lyon lag ausnahmsweise auf ihrer bloßen Haut und nicht auf dem sonst üblichen Gazeeinsatz, und fast alle Finger waren mit Ringen geschmückt.
    Die Hände ihres Begleiters waren schmucklos; er trug nicht einmal einen Siegelring. Das schien zu bestätigen, was sie vermutet hatte, obwohl er sich nun an die Regeln hielt und nicht mehr sprach. Er wußte offenbar doch, was sich gehörte. Anfangs verlangte sie nicht viel von ihm, später aber, als sie sich vom Haus Bladelins zum neu geschaffenen Ghistelhof begaben und von dort zum Haus der Familie Vasquez, vom Palast Jean de Gros’ zu den Sieben Türmen und der Zunfthalle der Bogenschützen, und als sie sich in das stattliche Herrenhaus der Familie Gruuthuse wagten, ohne einem Leoparden zu begegnen, und schließlich im Park des Prinsenhof als Gäste des abwesenden Grafen von Charolais feierten - da wagte sie zaghaft, an den Tänzen teilzunehmen, und merkte schnell, daß ihre Zaghaftigkeit unbegründet war. Ihr Partner war ein geübter Tänzer und mit den Figuren vertraut. Wünschte sie eine Erfrischung, so bediente er sie und auch Freunde, die sie zufällig traf, mit größtem Zuvorkommen.
    Bisweilen, bei zwangloseren Begegnungen, unterhielt er sie mit allerlei Kunststücken, warf Teller in die Luft und spielte mit ihnen wie mit Bällen oder ließ Messer wie durch Zauber verschwinden und wieder auftauchen. Sie staunte und lachte und sagte sich erleichtert, daß er nicht vulgär, sondern unterhaltsam war. Weder legte er seinen Umhang ab, noch berührte er sie an anderer Stelle als an Hand oder Ellbogen. Aber sie bemerkte wohl - solange sie dazu noch fähig war -, wie er dafür sorgte, daß ihr ständig zu trinken angeboten wurde.
    Es beunruhigte sie nicht. Sie ließ sich einfach treiben, sie wußte ja, wie diese Abende abliefen. Irgendwann würde er sie nach Hause bringen - in das leere Haus, wo die Pförtner ihn als den von ihr erwählten Begleiter einlassen würden. Sie würde ihn in das Empfangszimmer ihrer Mutter führn und ihm zum Dank ein Glas Wein anbieten. Dann würde sie ihn bitten, sein Gesicht zu zeigen, und er würde die Maske ablegen.
    Freundinnen, die ihr all das erzählt hatten, ließen sich über die folgenden Geschehnisse nie näher aus. War das Werben erfolgreich, suchte die Familie des Freiers die Familie der zukünftigen Braut auf und handelte eine Vereinbarung aus. Doch das geschah erst am nächsten Tag. Was sich am entscheidenden Abend abspielte, blieb offen. Gewöhnlich spielte es ohnehin kaum eine Rolle. Man bat den Auserwählten herein, und er folgte der Einladung. Das bedeutete Heirat. Ganz einfach, wenn man den Richtigen mit nach Hause nahm. Nicht ganz so einfach, wenn es der Falsche war.
    Das Nachdenken strengte sie an. Ihr Begleiter hielt sie, als sie das zweite Mal stolperte. »Ihr müßt müde sein. Soll ich Euch nach Hause bringen?« Es waren seine ersten Worte seit der Begrüßung, und sie hörte nicht einmal einen Anflug der Redeweise der Leute in Kortrijk.
    »Ja, das wäre wohl das beste«, sagte sie. Und dann: »Wenn Ihr die Maske abgenommen habt.«
    Sie waren stehengeblieben, die Gesichter einander zugewandt. Katelina wartete. Der Eulenkopf mit den starren Augen drehte sich verneinend hin und her. Sie blieb noch eine Weile stehen, um zu sehen, ob er nachgab, und als das nicht geschah, wandte sie sich ab und ging stirnrunzelnd davon. Nur einen Augenblick später holte er sie ein und bot ihr wieder den Arm, wofür sie dankbar war.
    Am Tor zum Haus ihrer Eltern wünschte der gutgeschulte Pförtner, der die Maske gleich wiedererkannte, nur einen guten Abend und öffnete sogleich. Er ging ihnen voraus zur Haustür, um aufzusperren und nachzusehen, ob alle Lampen brannten.
    Sie führte ihren Begleiter in das Empfangszimmer ihrer Mutter. Sie hatte viel getrunken, aber klug dafür gesorgt, daß sie nicht im entscheidenden Augenblick ein peinliches Unbehagen befiel. Und sie hatte bemerkt, daß auch er sich von Zeit zu Zeit diskret entfernt hatte. Ein weiterer, wenn auch unbedeutender Hinweis auf seine

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