Niccolòs Aufstieg
willst. Sie hängt da über dem Feuer.«
Er hinterließ Wasserspuren, wohin er auch ging. Sie bemerkte es, wie er sah, nahm es aber nicht wichtig. Nun ja, in der Küche war es sowieso sehr warm. Er ging zu dem an der Kette hängenden Topf, rührte um und holte dann zwei Schüsseln aus dem Wandschrank, vorsichtig, um seine Kräfte zu schonen, die erst allmählich zurückkehrten. Er hatte die Brühe nötig und hoffte, er könne etwas davon essen, ehe ihre Feindseligkeit, aus welchem Grund auch immer, in offene Feindschaft umschlug. Er füllte die erste Schüssel, stellte sie vor Katelina auf den Tisch und legte einen Löffel daneben. »Möchtet Ihr auch etwas essen, Demoiselle?«
Damit hatte er sie in eine heikle Lage gebracht. »Wir essen beide am Tisch«, erwiderte sie kurz angebunden.
Es stand noch eine zweite Bank an der anderen Seite des Tisches. Dorthin stellte er seine Schüssel und setzte sich. »Gott schütze die Gastgeberin«, sagte Claes. Sie sah nicht so aus, als ob sie Appetit hatte. Er nahm seine Schüssel und trank die kräftige, warme und nahrhafte Brühe, die den Nachgeschmack von Kanalwasser und Malvasierwein vertrieb. Dann stellte er sie wieder ab. »Ihr habt mir zweimal das Leben gerettet. Erst beim Kanal und jetzt mit dieser Brühe. Ich habe Euch noch nicht gedankt.«
Er zweifelte nicht daran, daß sie Fragen stellen wollte. Auch er hätte gern einige gestellt: Wer außer ihr und Gelis hatte noch gesehen, was passiert war? Warum war sie ohne Begleitung unterwegs gewesen? Wieso hatte sie nach seiner Rettung kein Geschrei erhoben und nach ihren Eltern oder den Magistraten gerufen? Und warum war er hier? Bei jeder anderen Person hätte er gewußt warum. Es war ein Rätsel, das er wie die Geheimschrift der Medici über Umwege angehen mußte. Und es blieb ihm nichts übrig, als eine Bemerkung zu machen und zu hoffen, daß sich daraus ein Gespräch ergab.
Nichts ergab sich. Katelina tauchte immer wieder ihren Löffel in die Brühe und antwortete nicht. Er wartete geduldig.
Sie war ein hübsches junges Mädchen und gut gewachsen. Ihre Brüste unter dem Unterkleid waren rund wie kleine spanische Orangen. Sein Blick, der noch nach anderem suchte, glitt über ihren ganzen Körper. Das Leinen war so fein, daß er sehen konnte, wo die Farbe wechselte und das Weiß ihrer Haut aufhörte. Sein Blick blieb schließlich an seiner Schüssel hängen, was ihm Zeit gab, die dringend benötigte Selbstbeherrschung wiederzufinden.
Er wußte um seinen Ruf, und den hatte er größtenteils auch verdient. Er mochte die Frauen. Und er mochte sie natürlich vor allem, weil sie ihm die größten und am wenigsten kostspieligen Freuden bereiteten; aber auch, weil er ihre Gesellschaft schätzte und ihre Ansichten. Er brachte sie gern zum Reden. Dieses Mädchen hier war noch Jungfrau, davon war er überzeugt. Mit Jungfrauen hatte er nicht viel Erfahrung. Solche Mädchen boten sich zwar oft an, waren aber meist zu jung, um zu wissen, was sie taten. Das nutzte er nicht aus. Bei älteren Frauen hingegen war es manchmal reine Gefälligkeit.
Dieses Mädchen hier sah nicht aus, als ob es reden wollte. Zum Teil schien Katelina van Borselen bereits zu bedauern, was sie getan hatte. Es wäre einfach, eine unmögliche Situation heraufzubeschwören, damit sie ihn zum Gehen auffordern würde. Aber was würde sie dann tun? Besser war, ihr zu helfen. »Ist Simon eigentlich in Brügge, Demoiselle?« fragte Claes.
Ihre Hand mit dem Löffel hielt inne. »Es war nicht seine Schuld.« Dann errötete sie. »Er ist nicht in Brügge«, fügte sie schroff hinzu.
Sie war kein Dienstmädchen und hatte verstanden, was in seinen Worten mitschwang. Jetzt würde sie ihn auffordern zu gehen. Er schob die Schüssel beiseite, um aufzustehen. »Sie hatten vor, dich zu verbrennen«, sagte sie mit plötzlicher Heftigkeit.
Mit seinem ganzen Gewicht ließ er sich wieder auf die Bank fallen. »Dank Euch ist es ihnen nicht gelungen, Demoiselle. Ich glaube zu wissen, wer sie sind. Und sie werden es nicht wieder versuchen. Macht Euch keine Sorgen, und sagt auch Eurer Schwester, daß alles in Ordnung ist.«
Er beobachtete sie. Sie konnte nicht allein auf der Straße gewesen sein. Er mußte herausfinden, ob noch jemand davon wußte. »Kam Eure Schwester Euch abholen?«
Die Frage erschreckte sie. Beunruhigt schob sie ihre Schüssel von sich, stand auf und ging zum Kamin. Dort hing, was ihm entgangen war, ein gestreiftes Handtuch zum Anwärmen. Sie beugte sich vor
Weitere Kostenlose Bücher