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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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und nahm es, während er sich umdrehte und sie beobachtete. Der Schein des Feuers schimmerte durch ihr leinenes Unterkleid, und er bemerkte, daß sie den Überwurf auf der Bank hatte liegenlassen. Mit dem zusammengelegten Handtuch in der Hand drehte sie sich um. Sie beantwortete seine Frage nicht, sondern erkundigte sich: »Hat er deine Wange aufgeschlitzt?«
    Er blieb ruhig. »Simon? Nein.«
    »Nicht Simon. Sein Vater. Jordan de Ribérac.« Gestern hatte sie noch nicht gewußt, wie er zu der Schramme gekommen war. Heute konnte sie die Wunde mit Jordan de Ribérac in Verbindung bringen. Und durchblicken lassen - denn das hatte sie doch wohl? -, daß sie beide Jordan de Ribérac für das verantwortlich machten, was heute abend geschehen war. Bislang hatte sie nicht um Hilfe gebeten. Wie zum Schutz hielt sie das zusammengelegte Handtuch vor sich.
    »Habt Ihr ihn heute abend gesehen? Monseigneur de Ribérac?«
    »Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht.«
    Heirat! Verblüfft starrte er sie an. Der Schein des Feuers tanzte flackernd wie die Nordlichter über seine Haut.
    Ihre Worte klangen verbittert, als hätte Jordan de Ribérac ihr außer der Ehe noch etwas anderes angeboten. Und wenn, dann wohl kaum auf der Straße. Also hier, in dem leeren Haus. Aber wie hatte sich de Ribérac Zugang verschafft zu einer jungen Dame, die allein zu Hause war? Ganz einfach. »War er maskiert?« fragte Claes leise. »Hat er Euch gesagt, er wolle mir etwas antun?«
    »So ungefähr. Er sagte, er habe Simons Rechnung mit dir beglichen. Und diese beiden Männer sollten dich wohl umbringen, Das können Gelis und ich bezeugen. Ich werde es meinen Eltern erzählen, und dann wird er bestraft.« Sie verdrehte das Handtuch, das sie in Händen hielt. Sie wollte de Ribérac bestraft sehen.
    »Vielleicht hat er Männer bestochen, um mich aus dem Weg zu räumen. Aber ich frage mich, ob es Beweise dafür gibt. Hat sonst noch jemand die Drohung gegen mich gehört?«
    Neben dem Kamin stand ein Hocker, und sie setzte sich darauf. Ihr braunes Haar schimmerte rot im Feuerschein und wellte sich, wo es geflochten gewesen war. »Er war hier. Ich war die einzige, mit der er gesprochen hat. Er war mein Begleiter heute abend. Ich glaubte, er sei… ein anderer.«
    Das hatte er sich fast gedacht. »Und die beiden Männer, die mich überfielen? Wir werden Zeugen brauchen, jemanden, der sie kennt, oder jemanden, der von ihrer Verbindung zu de Ribérac weiß. Ihn ohne Zeugen zu beschuldigen hieße, Euren Namen mit dem seinen zu verbinden in einer Weise, die Euch nicht gefallen würde. Er könnte die Ereignisse hinterhältig verdrehen.«
    »Ich weiß nicht, wer diese beiden Männer waren. Hast du keine Beweise gegen ihn?«
    »Keine, die etwas nützen«, erwiderte Claes. »Aber unternehmt in der Sache nichts weiter. Diesen Kampf muß ich allein ausfechten, auch wenn ich mich freue, daß Ihr ihn eine Zeitlang zu Eurem gemacht habt. Sonst wäre ich wohl nicht mehr am Leben. Vergeßt einfach, was mir passiert ist. Sagt Euren Eltern, daß Monsieur le Vicomte Euch getäuscht hat und zudringlich wurde. Dann dürfte er Euch kaum noch einmal belästigen.«
    Er beobachtete sie. In ihrem Gesicht spiegelte sich Erleichterung, aber auch Enttäuschung. Er hatte gesagt, was sie hören wollte. Doch sie wirkte seltsam resigniert. »Ganz egal, ob Monsieur le Vicomte oder ein anderer zudringlich war. Sie werden mich bald verheiraten. Schon allein für den Fall, daß ich nicht alles erzählt habe. Wirklich schade, daß nichts passiert ist. Es hätte keinen Unterschied mehr gemacht.«
    Jetzt wußte er, warum er hier war. Sie war neunzehn, klug und konnte sich behaupten, doch in dieser Hinsicht dachte sie wie Gelis. Und sanft, als würde er mit Gelis sprechen, fragte er: »Ist dieses Handtuch für mich?«
    Das hatte sie ganz vergessen. Jetzt brachte sie es ihm, zögerte kurz und legte es dann um seine Schultern. Ihre Hände, die sie nicht gleich zurückzog, zitterten. Er faßte sie bei der Hand, drehte sie herum und zog sie zu sich auf die Bank. Vom Schein des Feuers wurde der Stoff ihres Kleides beinahe durchsichtig, und das verriet ihm noch etwas. Nun brauchst du Selbstbeherrschung für zwei, Claes. Mal sehen, wie du damit fertig wirst.
    »Demoiselle, die Welt wimmelt von Ehekandidaten. Seid nicht grausam zu ihnen, nur weil Euch einige Eurer Freier mißfallen.«
    »Du mußt mich nicht heiraten«, sagte sie.
    Er war nicht bereit, diesen Gedanken aufzugreifen, und gab seinen Worten eine

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