Niccolòs Aufstieg
Borselen sagte: »Zieh dich aus!«
»Nein«, hatte er entgegnet.
Sie fackelte nicht lang, und er ließ sie gewähren. Sie zog den hölzernen Zuber heraus, goß mehrere Kannen kaltes Wasser hinein, schob die Hände in wattierte Fäustlinge, nahm den großen Kessel von der Feuerstelle und füllte den Zuber mit kochend heißem Wasser auf. »Ich gehe mir etwas Trockenes überziehen«, sagte sie dann. »Zieh dich jetzt aus und setz dich da hinein.«
Das gute blaue Tuch riß, als er es ausziehen wollte. Er streifte alle Kleidungsstücke auf einmal ab. Und selbst das schaffte er nur an die Wand gelehnt. Beim Einsteigen hielt er sich am Rand des Zubers fest, trotzdem schwappte das Wasser über, als er hineinfiel. Er legte die Arme auf die hochgezogenen Knie und den Kopf auf die Arme, sein Bewußtsein begann sich zu trüben, lichtete sich noch einmal und verdunkelte sich ganz. Das Feuer, das Katelina van Borselen neu angefacht hatte, bevor sie hinausgegangen war, begann kräftig zu lodern und hielt den Badenden in seinem Zuber warm.
Er schlief.
KAPITEL 20
Viel später erst erwachte Claes, eigentlich ja Nicholas wieder und drehte verschlafen den Kopf, der auf seinem Arm ruhte.
Eine Küche. Die gutgeführte, gutausgestattete Küche eines wohlhabenden Hauses, in der es herrlich nach Huhn roch.
Er drehte den Kopf noch weiter.
Ein hölzerner Zuber. Ein gescheuerter Tisch mit zwei Rollbetten darunter und einem Halter mit Talgkerzen darauf. Eine Wand, an der eiserne und kupferne Pfannen und Töpfe hingen und langstielige Geräte aus Eisen und Holz. In einem geschnitzten Schrank, der halb offenstand, waren Schüsseln aus Holz, Steingut, Zinn und Messing sowie einige Zinnteller zu sehen. Auf dem Fußboden ein kupferner Wasserkrug, ein Fliegenschrank und ein Eimer. Ein Faß Zucker. Eine Kiste Salz. Eine Bank, auf der eine brünette junge Frau in einem weiten Kleid saß.
Und er saß offenbar nackt in einem gefüllten Badezuber und umklammerte seine Knie.
Sein Verstand konnte ihm nicht gleich einen Grund dafür liefern. Die junge Frau strahlte wohlerzogen eine vollkommene Ruhe aus, auch wenn sie leicht amüsiert wirkte. Da er keine Ahnung hatte, was sie erwartete, erwiderte er ihren Blick ebenso gelassen. Doch vor lauter Anstrengung begann sich in seinem Kopf alles zu drehen. Er tat ihm schon weh. Sein ganzer Körper tat ihm weh. Er wandte den Blick von dem Mädchen ab und ließ ihn zum Kamin schweifen, vor dem seine Kleider zum Trocknen ausgebreitet waren.
Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Das da war Katelina van Borselen, die sich trockene Kleider angezogen hatte. Sie trug ein Unterkleid aus feinem Leinen und um die Schultern einen losen Umhang; ihr Haar fiel offen herab.
Also gut. Eins nach dem anderen. Zunächst vergewisserte er sich, schon um sich selbst zu beruhigen, daß seine gegenwärtige Lage einigermaßen anständig war. Er erinnerte sich, daß sie gesagt hatte, es sei niemand im Haus. Er wandte ihr den Blick wieder zu und bemerkte, daß sie ihn immer noch ansah. Nicht wachsam, eher prüfend, so wie Colard ein ihm unbekanntes Gemälde betrachtete. »Ich habe wohl geschlafen«, sagte er.
»Eine Stunde. Aber es ist niemand im Haus.«
»Danke, daß Ihr meine Kleider trocknet.«
»In ein oder zwei Stunden kannst du sie wieder anziehen. Komm raus aus dem Zuber. Ich habe etwas Brühe warm gemacht.«
Situationen wie diese hatte er oft genug erlebt, in Badehäusern oder anderswo, und immer war die Folge ein Abenteuer gewesen. In jenen Fällen war das betreffende Mädchen aber keine Katelina van Borselen und er nicht gerade einer Lebensgefahr entronnen. Er sprach seine Lage so direkt wie möglich an. »Ich bin Euch gegenüber im Nachteil.«
Geringschätzig sah sie ihn an. »Glaubst du, ich habe noch nie einen nackten Mann gesehen? Meine Eltern schlafen unbekleidet, und meine Diener und meine Cousins ebenfalls.«
Es gab kein Handtuch in Reichweite, Gleichmütig stützte er beide Hände auf den Rand des Zubers und hievte sich hoch und hinaus. Er gönnte ihr den Anblick seines Rückens, während er ohne Eile zum Kamin ging, sein feuchtes Hemd nahm, es um die Hüften schlang und die Schnürbänder fest verknotete. Seine Haut war von dem langen Bad schrumpelig geworden und seine Muskeln aufgeweicht, Um sich Halt zu verschaffen, stützte er eine Hand auf den Kaminsims, drehte sich um und sagte lächelnd: »Es war doch von Brühe die Rede.«
Sie hatte sich nicht von der Bank gerührt. »Hole sie dir selbst, wenn du welche
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